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Geld animiert zur Rückkehr

Bern Der Bundesrat kommt zum Schluss, dass die Rückkehrhilfe des Bundes keine Migranten anlockt, sondern Asylsuchende effizient zur Ausreise bewegt. Zur Kostenersparnis macht er aber keine Angaben.

Südostschweiz
11.06.14 - 02:00 Uhr

Denise Lachat

schweiz@luzernerzeitung.ch

Lal Gaive steht mit seiner Frau und den beiden Kindern vor den Aloe-Vera-Feldern in Nepals Weiten und berichtet freudig, dass in drei Monaten die erste Ernte ansteht. Das Gel aus den kakteenartigen Blättern ist ein beliebter Zusatz für Kosmetika und für Nahrungsmittel. Gaive rechnet mit einem schönen Auskommen für die Familie.

Ein knappes Jahr zuvor suchte diese noch Asyl in der Schweiz. Im Februar 2012 entschloss sich die Familie nach einem negativen Asylentscheid zur freiwilligen Rückkehr in die Heimat, und sie erhielt dafür Rückkehrhilfe von der Schweiz: Neben einer Starthilfe von 1000 Franken, die bei der Abreise am Flughafen ausbezahlt wird, erhalten Ausreisewillige wie Gaive bis zu 6000 Franken, um eigene Projekte umzusetzen.

Bäcker, Taxifahrer, Landwirte

Die einen eröffnen in ihrem Heimatland ein Lebensmittel- oder ein Kleidergeschäft, gründen ein Taxiunternehmen, eröffnen eine Bäckerei oder machen sich, wie Gaives Familie, selbstständig in der Landwirtschaft. Die nepalesische Familie erhielt einen Monat nach ihrer Rückkehr 3000 Franken vom Bundesamt für Migration (BFM), ausbezahlt wurde der Betrag über eine lokale Vertretung der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Das Hilfswerk betreut im Auftrag des BFM die Rückkehrer vor, während und nach ihrer Heimkehr und begleitet auch die Projekte vor Ort.

Gemäss einem IOM-Monitoring der Rückkehrhilfe zwischen Oktober 2012 und Oktober 2013 gehört die Familie Gaive zu jenen 13 Prozent, deren Projekt neun Monate nach Beginn funktioniert, aber noch keinen Ertrag abwirft. Der Grund: Für die erste Ernte der Aloe-Vera-Pflanzen braucht es ein Jahr lang Geduld, anschliessend kann alle drei Monate geerntet werden. 69?Prozent der untersuchten Projekte liefen nach neun Monaten bereits rund, 8 Prozent der Rückkehrer wechselten die Berufsrichtung, und nur 9 Prozent endeten mit einem Misserfolg.

Eve Amez-Droz, Vertreterin der IOM, räumte gestern vor den Medien in Bern zwar ein, dass nur knapp die Hälfte der Rückkehrer an der Befragung ?teilgenommen habe; entsprechend gross bleibe die Grauzone. Trotzdem spricht Amez-Droz von einer positiven Bilanz: Ab einer Teilnahme von 30?Prozent seien die Resultate statistisch relevant.

Zu einem positiven Befund kommt jetzt auch ein Bericht des Bundesrats, der die Kosten und die Wirksamkeit der Rückkehrhilfe unter die Lupe genommen hat. Es handelt sich dabei um die Antwort des Bundesrats auf ein Postulat des Aargauer Nationalrats und FDP-Präsidenten Philipp Müller vom März 2011.

Die Hälfte reist freiwillig aus

Der Bericht hält fest, dass die Rückkehrhilfe die freiwillige Ausreise von abgewiesenen Asylsuchenden aus der Schweiz fördere und ihnen helfe, sich in ihrem Herkunftsland wieder zu integrieren. Seit der Einführung der Rückkehrhilfe im Jahr 1997 kehrten 84?000 Personen oder die Hälfte aller Rückkehrenden selbstständig in ihre Heimatländer zurück. Sonderbotschafter Eduard Gnesa sprach bei der Vorstellung des Berichts von einer menschenwürdigen, glaubwürdigen und kostengünstigen Alternative zur Rückkehr unter Zwang.

Der Bericht untersuchte die Länderprogramme von Georgien, Guinea, Irak und Nigeria sowie die individuelle Rückkehrhilfe für Asylsuchende aus dem Kosovo, der Türkei und Sri Lanka im Zeitraum von 2005 bis 2010. Sein Fazit: Total 10 Prozent der Asylsuchenden verliessen die Schweiz mit Rückkehrhilfe; im Falle vom Kosovo waren es 23, in jenem von Sri Lanka nur 3 Prozent. Die aktuelle politische Lage spiele dabei eine Rolle, doch ohne finanzielle Hilfe für Rückkehrer würden insgesamt weniger Asylsuchende in ihre Herkunftsländer zurückkehren, und viele Ausreisen würden später erfolgen, heisst es im Bericht.

Sozialhilfekosten eingespart

Wie viel Geld dank der Rückkehrhilfe in der Migrationspolitik gespart werden kann, beziffert der Bericht nicht. Eduard Gnesa verwies gestern jedoch auf einen Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle von 2003, gemäss dem der Bund mit dem Rückhilfeprogramm für den Kosovo etwa 100 Millionen Franken an Sozialhilfe eingespart hat. Fest steht laut dem Bericht hingegen, dass die Rückkehrhilfe keinen Anreiz für eine höhere irreguläre Zuwanderung schafft. Einzige Ausnahme machte Tunesien Ende 2012, weshalb das Hilfsprogramm angepasst worden ist.

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