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«Früher war alles besser»

Immer wieder erklingt dieses Lied. Missmutige Sänger, die ein Klagelied anstimmen auf die gegenwärtige miese Lage und verklärt den Blick in die Vergangenheit richten.

Südostschweiz
25.10.14 - 02:00 Uhr

Von Pfarrer Rolf Jost, Näfels

Immer wieder erklingt dieses Lied. Missmutige Sänger, die ein Klagelied anstimmen auf die gegenwärtige miese Lage und verklärt den Blick in die Vergangenheit richten. Meistens hat das Lied seine Wurzeln im Blick auf ein frustriertes Lebensgefühl, auf eine gar nicht so gut erlebte Gegenwart. Irgend etwas, das das Leben beschwerlich macht oder auch beinahe unerträglich. Etwas, das nicht stimmig ist mit mir, mit den anderen. Etwas das mir irgendwie den Lebensmut nimmt, den ich einmal hatte.

Das Volk Israel auf dem Weg durch die Wüste singt murrend den alten Schlager, dass früher alles besser war. Wer mag es ihnen verübeln? So ein Gang durch die Wüste ist ja kein Spaziergang. Und wenn die Versprechungen bei Antritt der Reise so süss waren: Ein Land, wo Milch und Honig fliessen! Davon war die Rede, und von Freiheit und Wohlstand. Dahin sind sie aufgebrochen, und nun sind sie in der Ödnis unterwegs, viel zu lange schon.

Manchmal ist das Leben ja wie ein Gang durch die Wüste. Man war einmal hoffnungsvoll aufgebrochen. Nun ist der Leib erschöpft, Seele und Geist sind ausgelaugt durch das kräftezehrende Diktat der Zeit, des Berufs, des Familienlebens, der eigenen und fremden Ansprüche. Verbunden mit dem Gefühl, dass die Zeit rast. Lebenszeit flieht, das Leben zieht an einem vorüber.

Angekommen sind manche in der Phase des Lebens, in der nichts mehr geht, wenig zu spüren ist und dann der süsse Blick in die Vergangenheit Stabilität verspricht. Ja, da war noch alles gut. Damals. Als das Feuer für den Beruf noch brannte. Als die Kinder noch klein waren. Als der Himmel offen war und der Weg des Lebens klar vor einem lag, und man unbekümmert an die Dinge heranging.

Grund genug auch hier für das alte Lied. Früher war alles besser. Was häufig übersehen wird, ist das Glück, das man eigentlich hat. Man gewöhnt sich daran. Nun, in der Wüste damals und heute hört jemand das Klagen und Murren, auch wenn es objektiv gesehen fehl am Platz ist. Gott erhört und erträgt das Reklamieren, lässt sich bewegen. Das erstaunt immer wieder aufs Neue. Gott geht mit, er begleitet die Menschen und stopft sich auch gegenüber diesem ärgerlichen Murren seine Ohren nicht zu.

In der Wüste damals bekamen sie Wachteln und Manna, beinahe ein Hohn, solche Delikatessen! Und was bekommen wir? Brot und Wein, ein stimmiges Wort in unsere Situation hinein. Dinge, die mir Kraft geben. Vielleicht auch, weil sie mit dem Guten aus der Vergangenheit verknüpft sind. Aufs Neue bleibt Gott der, welcher er schon immer war: «Ich bin, der ich bin, und ich werde sein, der ich sein werde. Ich bin mit dir.»

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