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Front gegen Grossraubtiere wächst

Politik und Behörden lassen die Bevölkerung in den Berggebieten mit der Grossraubtier-Problematik kläglich im Stich. Diese Auffassung vertritt die Vereinigung gegen Grossraubtiere, deren Forderungen kräftige Unterstützung erhalten.

Südostschweiz
21.08.14 - 02:00 Uhr

Silvia Kessler

Ort und Zeitpunkt sind gut gewählt. Just am Tag, als das Amt für Jagd und Fischerei (AJF) den dritten aufeinanderfolgenden Nachwuchs des Wolfsrudels am Calanda kommuniziert, organisiert die Vereinigung für einen Lebensraum ohne Grossraubtiere unter dem Titel «Mensch oder Raubtier?» eine öffentliche Informationsveranstaltung in Felsberg. Die Nähe zum wachsenden Wolfsrudel, das sich vor rund zwei Jahren zu bilden begann und die Spuren, die es seither hinterlassen hat, bewegt insbesondere die Nutztierhalter in Felsberg und Umgebung. Auf eine Auseinandersetzung mit der Thematik Grossraubtiere sind auch die Jäger aus, steht der Beginn der Hochjagd doch unmittelbar bevor.

So füllt sich die Aula des Schulhauses an diesem Dienstagabend denn auch beinahe bis auf den letzten Platz. Geschätzte 200 Personen drücken mit ihrer Präsenz den Gründern der Vereinigung Lebensraum ohne Grossraubtiere ihre Solidarität aus und sind zugleich gespannt darauf, welche Erfahrungen und Lösungen die sechs Referenten in Bezug auf die Grossraubtier-Problematik präsentieren können. Auch die sechs Redner sind gut gewählt, sind doch die meisten in politischen Ämtern tätig, respektive Nutztierhalter oder beides zugleich.

Gefährdete Traditionen

Der Puschlaver Otmaro Beti, Landwirt und Präsident der Vereinigung Lebensraum ohne Grossraubtiere, Plinio Pianta aus Brusio, ehemaliger Grossrat, Anwalt, und Präsident der internationalen Vereinigung Am-Amont (Freunde der Alpwirtschaft und der Bergwelt), Bernhard Niggli, BDP-Grossrat und Landwirt aus Grüsch, Renato Moser, Präsident Bürgergemeinde Felsberg, Duosch Städler, Mitglied des leitenden Ausschusses im Schweizerischen Schafzuchtverband aus Zernez, und der Walliser Grossrat Georges Schnydrig stehen allesamt hinter den Zielen der organisierenden Vereinigung. Zusammengefasst lauten diese: «Austritt aus der Berner Konvention. Schutz der Nutztiere vor den Grossraubtieren. Erhalt der Nebenerwerbslandwirtschaft. Erhalt des Lebensraumes in den Rand- und Bergregionen.»

Wie die Forderungen zustande gekommen sind, zeigen die Referenten in ungeschönten Worten und Bildern auf. Plinio Pianta beschreibt, wie sich das Leben im Puschlav seit dem Auftauchen von M13 im Frühling 2012 verändert hat. Innert kurzer Zeit habe das Raubtier mehrere Nutztiere gerissen und so den Landwirten schwere Schäden zugefügt. «Die Erfahrungen in der Folge sowie die Fakten aus den anderen Alpenländern ergaben die klare Schlussfolgerung, dass ein Zusammenleben zwischen Mensch und Grossraubtieren unmöglich ist.» Diese Botschaft, verbunden mit der Forderung zur Aufhebung des Schutzstatus’ für Grossraubtiere, sei der Bündner Regierung in einem Schreiben vom 6. August 2012 schriftlich zugestellt worden.

Bestärkt in ihren Anliegen werden die Vereinigungsmitglieder durch Ereignisse wie jenes zu Monatsbeginn, als der Braunbär M 25 oberhalb von Le Prese einen dreifach gesicherten Elektrozaun überwunden und auf einer Weide zwei Esel getötet hat. Mehrere Risse von Nutztieren sind zudem auf den zahlreichen meist kleinen Puschlaver Maiensässen und Alpen zu verzeichnen. Eine 1000-jährige Geschichte habe die Alpwirtschaft im Puschlav. «Wir würden diese heute kaputtmachen, wenn wir die Präsenz von Grossraubtieren begrüssen würden», sagt Plinio Pianta.

Ämter machen schlechte Figur

Dass der Schutz von Nutztieren nicht nur aufwendig, sondern auch kompliziert sein kann, wenn es um behördliche Unterstützung geht, zeigt Renato Moser auf. Ende März hätten Wölfe im Westen des Dorfes ein Rudel Hirsche gejagt. Nebst dass in der Folge zwei Hirschkadaver gefunden worden seien, habe die Hatz grosse Schäden an den Gemüsekulturen eines Felsberger Landwirts verursacht. Der Antrag auf Bezahlung des Schadens sei in einen neun Monate dauernden Rechtsstreit mit verschiedensten involvierten Amtsstellen ausgeartet. Vom AJF habe der Landwirt den Tipp erhalten, seine Kulturen mit einem zwei Meter hohen Zaun zu umgeben. Allerdings müsste der Betroffene mehrere Kilometer dieses Bauwerks erstellen.

«Uns Bauern wird alles zugemutet», stellt auch Bernhard Niggli fest. Sie müssten Zäune auf Berge tragen, um die Grossraubtiere auszuzäunen. «Dringen Wolf und Bär trotzdem ein, dürfen sie stehlen und töten, ohne dass dagegen vorgegangen werden kann.» Denn die Behörden – statt zu helfen – versteckten sich hinter der Berner Konvention.

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