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Franco Collenberg: «Ich lebe gut ohne Eishockey»

Mit erst 28 Jahren hat Eishockeyprofi Franco Collenberg Schlittschuhe, Helm und Stock an den berühmten Nagel gehängt. Jetzt betätigt sich der Bündner in Glarus als Sozialarbeiter.

Südostschweiz
25.07.14 - 02:00 Uhr

Von Hansruedi Camenisch

Eishockey. – Franco Collenberg sitzt mit seiner Gattin Adriana, dem zweijährigen Sohn Carlo und der sieben Monate alten Tochter Giovanna auf der Terrasse. Gemeinsam geniessen sie das Mittagessen – Risotto, Gemüse und Salat. Für Franco Collenberg eine neue Situation. In früheren Jahren bestimmten seine Eishockeyklubs den Terminplan. Da standen im Sommertraining am späten Vormittag oft Konditionseinheiten auf dem Programm. Jetzt fixiert Collenberg seinen Tagesablauf selber.

Eigentlich wäre der Bündner auch in der kommenden Saison noch bei den Rapperswil-Jona Lakers unter Vertrag gestanden. Der Kontrakt wurde jedoch aufgelöst und Collenberg vom NLA-Klub ausbezahlt. Als der Verteidiger im April 2013 am Oberen Zürichsee unterschrieb, war Harry Rogenmoser Trainer. Der damalige Coach wünschte sich einen Abwehrspieler, der sich auch regelmässig in Offensivaktionen einschaltete – das Risiko auf Fehler inbegriffen. Collenberg entsprach genau diesem Anforderungsprofil. Mit dem Trainerwechsel von Rogenmoser zu Anders Eldebrink änderte bei den Lakers jedoch die Eishockeyphilosophie. Die Chemie zwischen dem Schweden und Collenberg passte nicht. Am 22. Januar dieses Jahres folgte die zunächst temporäre Trennung. Der Verteidiger kehrte bis zum Saisonende leihweise zum SC Bern zurück, mit dem er im Frühling 2013 Schweizer Meister geworden war.

«Ich habe auf mein Herz gehört»

Jetzt sitzt Collenberg also auf der Terrasse vor der Parterre-Wohnung in Sargans. Eine Rückkehr zu den Lakers machte unter den erwähnten Voraussetzungen keinen Sinn. Lose Kontakte zum HC Davos und zum HC Lugano versandeten. Wieder Zügeln oder ohne Familie in die Ferne schweifen wollte Collenberg nicht. Er hadert allerdings nicht mit dem Schicksal, macht niemandem Vorwürfe. «Ich habe auf mein Herz gehört», begründet er seinen für einen Eishockeyprofi im Alter von erst 28 Jahren ungewohnt frühen Rücktritt – nach insgesamt 517 NLA-Spielen für Davos, Basel, Gottéron Fribourg, Bern und die Lakers sowie 61 Partien in der zweitobersten Spielklasse für Chur und Olten. Collenberg versichert glaubhaft: «Ich lebe gut ohne Eishockey.»

Er nehme das Gute aus seinen elf Jahren Profi-Eishockey mit, sagt der Bündner und zitiert einen Hit der verstorbenen französischen Chansonsängerin Edith Piaf: «Non, rien de rien, non, je ne regrette rien» – «Nein, gar nichts, nein, ich bedauere nichts.» Typisch Collenberg ist auch, dass er nach seinen schönsten Erinnerungen gefragt nicht den Schweizer-Meister-Titel mit Bern, packende Auftritte mit Fribourg-Gottéron oder seine Spengler-Cup-Einsätze mit dem tschechischen Klub Vitkovice nennt, sondern generell seine vier Jahre in Freiburg. Da habe er einen ausgezeichneten und sehr engen Kontakt mit den Fans gehabt und sehr viel zurückbekommen, bemerkt der Bündner.

Die Menschen stehen für Collenberg generell im Zentrum. Dank des Eishockeys habe er «viele gute Leute kennengelernt». Der Mannschaftssport sei eine super Lebensschule gewesen mit der ganzen Teamfähigkeit, und gleichzeitig habe er gelernt, sich durchzusetzen. Diese Qualitäten kann der Bündner auch künftig ausspielen und einsetzen. Schon jetzt arbeitet Collenberg in Glarus bei bestimmten Projekten als Sozialarbeiter, ab September fix mit einer 70-Prozent-Anstellung. Im nächsten Jahr möchte er sich einen Traum verwirklichen und den ganzen Sommer mit seiner Familie auf einer Alp verbringen. Gattin Adriana ist ausgebildete Sennerin. Sie hat bereits während zwei Alpsaisons Käse produziert. Im Herbst 2015 schliesslich wird Collenberg in Zürich die Ausbildung zum Primarlehrer in Angriff nehmen. Die Matura erlangte er während seiner Juniorenzeit beim HCD am Sportgymnasium in Davos, den Bachelor machte er, als er beim EHC Basel spielte. «Das Ende ist der Anfang von etwas Neuem, und im Neuen ist ein gewisser Zunder vorhanden», philosophiert er und freut sich auf seine künftigen Herausforderungen.

Am Berg statt im Kraftraum

Nach einem Jahrzehnt als Leistungssportler kann Collenberg natürlich nicht plötzlich einfach auf der faulen Haut herumliegen. Durch einen Freund hat er den Berglauf entdeckt und Spass daran gefunden, auch wenn er nicht gerade prädestiniert ist, mit einer Grösse von 1,85 Metern seine 91 Kilo Gewicht in die Höhe zu schleppen. Am Vormittag vor unserem Treffen war er trainingshalber im Pizolgebiet unterwegs. Am Zermatt-Marathon hatte er sich erstmals wettkampfmässig gemessen. Morgen nimmt der zurückgetretene Eishockeyaner den Swissalpine mit seinen 78 Kilometern unter die Füsse. Angetan hat es ihm auch das Schwimmen. Im Giessenparkbad in Bad Ragaz hat er gleich eine Saisonkarte gelöst.

Man sieht und spürt es. Da sitzt kein frustrierter zurückgetretener Eishockeyprofi am Familientisch, sondern ganz einfach ein zufriedener Mann. Für Collenberg stimmts.

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