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«Fledermausschutz und Windenergie schliessen sich grundsätzlich nicht aus»

Stellt Windenergie für Fledermäuse eine Gefährdung dar? Mit dieser Frage beschäftigte sich ein Vortrag gestern im Bündner Naturmuseum. Beim Windrad in Haldenstein wird der Fledermausschutz jedenfalls entsprechend berücksichtigt.

Südostschweiz
13.11.14 - 01:00 Uhr

gian andrea marti

Mit grosser Geschwindigkeit drehen sich die Rotoren der Windkraftanlage bei Haldenstein: «Bei 18 Umdrehungen pro Minute in Spitzenzeiten, können an den Blattspitzen der Rotoren bis zu 270 Kilometer pro Stunde gemessen werden», wie Hubert Krättli von der Koordinationsstelle Ost für Fledermausschutz, gestern an einem Vortrag im Bündner Naturmuseum erklärte. Und das ist nicht unproblematisch.

«Studien belegen, dass sowohl Vögel als auch Fledermäuse durch die schnell drehenden Rotoren erschlagen werden können», so Krättli. Und «Spiegel Online» meldete kürzlich, dass laut Hochrechnungen jährlich bis zu einer Viertelmillion Fledermäuse an Windkraftanlagen in Deutschland sterben. Eine Zahl, die auch in der Schweiz zum Nachdenken anregt. Machen ausgerechnet die als «grüne Energie» propagierten Windkraftanlagen den vielfach bedrohten und geschützten Fledermäusen den Garaus? Eine Frage, mit der sich Hubert Krättli in seinem Vortrag auseinandersetzte.

Fledermaus aktiv – Windrad aus

«Windkraftanlagen können für Fledermäuse tatsächlich eine Gefahr darstellen», so Krättli. Die drehenden Rotoren würden von den nachtaktiven Fledermäusen, die sich mithilfe ihrer Ultraschall-Rufe orientieren, kaum wahrgenommen. «Mit entsprechenden Massnahmen können Totschläge an Windrädern aber deutlich verringert werden.» In der Praxis heisst das: Die Windkraftanlage wird abgeschaltet, wenn Fledermäuse aktiv sind.

Dies ist auch beim Windrad in Haldenstein der Fall, wie Josias F. Gasser, Nationalrat und Mitinitiant der Calandawind AG, bestätigt. «Sobald Windgeschwindigkeiten unter 5,8 Metern pro Sekunde gemessen werden, die Temperaturen über zwei Grad Celsius liegen und es ausserdem nicht regnet, schaltet die Anlage bei Einbruch der Däm- merung automatisch aus.» Denn Fledermäuse seien grösstenteils nur bei Windgeschwindigkeiten unterhalb von 5,8 Metern pro Sekunde und Temperaturen über acht Grad aktiv und würden zudem nur bei trockenem Wetter fliegen, wie auch Krättli bestätigt. «Da Fledermäuse ausserdem von November bis März Winterschlaf halten, sind diese temporären Abschaltungen während des Winterhalbjahres nicht nötig.»

Geringer Ertragsausfall

«Dank dieser Massnahmen konnten wir das Risiko von Fledermauskollisionen mit den Rotoren um 95 Prozent reduzieren», so Gasser. Seit Inbetriebnahme der Anlage im März 2013 wurden weder von damit beauftragten Förstern noch von Privaten Todfunde von Fledermäusen oder Vögeln im Umkreis des Windrads gemacht. «Wir gehen deshalb davon aus, dass die Anlage für diese Tiere kein Problem darstellt.»

Unproblematisch sind die Schutzmassnahmen auch in Sachen Minderertrag. «Da die Anlage bei tiefen Windgeschwindigkeiten kaum Energie produziert und eine Abschaltung nur nachts während dem Sommerhalbjahr und bei trockenem Wetter erfolgt, beträgt der Energieverlust nur eins bis drei Prozent», so Krättli. In Zukunft hoffe man, die Anlage in Echtzeit abschalten zu können und so Fledermausschutz und Energieeffizienz zu optimieren. «In Haldenstein testen die Betreiber zurzeit ein System, das mittels Videoaufnahmen und einem akustischen Ultraschall-Mikrofon die Aktivitäten von Fledermäusen und Vögeln im Gefahrenbereich aufzeichnet und entsprechende Signale zur Abschaltung an die Anlage übermittelt.» So müsste die Anlage nur noch dann ausgeschaltet werden, wenn sich ein Tier in der Nähe befindet. «Fledermausschutz und Windenergie schliessen sich also grundsätzlich nicht aus», so Krättlis Fazit. Die Frage sei bloss, ob die Betreiber bereit sind, diesen geringen Ertragsausfall zugunsten der Fledermäuse hinzunehmen.

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