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Fledermäuse – die unbekannten Bekannten

Die Sonderausstellung «Fledermäuse – geheimnisvoll, faszinierend, schützenswert» im Bündner Naturmuseum soll die Fledermaus den Menschen näherbringen.

Südostschweiz
17.09.14 - 02:00 Uhr

Seraina Sprick

«Vor rund 200 Jahren wurden die Fledermäuse an Stalltüren genagelt, um Geister fernzuhalten. Und heute versuchen wir sie zu schützen und den Menschen näherzubringen», sagte Ueli Rehsteiner, Direktor des Bündner Naturmuseum, an der gestrigen Medienorientierung auf die Frage, was das Ausschlaggebende für die Sonderausstellung sei.

«Hotspot» Graubünden

30 Fledermausarten wurden in der Schweiz nachgewiesen, das sind ein Drittel aller Säugetiere, die in der Schweiz leben. Davon leben 25 Arten in Graubünden, in Landschaften wie Wälder, Obstgärten, Parks und in Gebäuden. Wenig anspruchsvolle Arten wie die Zwergfledermaus sind über die ganze Schweiz verbreitet. Lebensraumspezialist wie das kleine Mausohr sind hingegen selten und auf bestimmte Standorte begrenzt.

Die verschiedenen Fledermausarten sind in der Schweiz bundesrechtlich geschützt. Seit 1950 wurden jedoch massive Einbussen im Bestand verzeichnet. «Viele Tiere verlieren Lebensraum durch Neubauten, die keine Nischen und Estriche mehr haben, in denen sich die Fledermäuse verstecken können. Auch alte Häuser werden verschlossen», sagte Flurin Camenisch, Museumspädagoge des Bündner Naturmuseums. «Der Verlust an Strukturen bedeutet wiederum fehlende Orientierungsmöglichkeit. Auch hat sich die Landwirtschaft intensiviert, sodass es weniger Insekten gibt, welche die Hauptnahrung der Fledermäuse darstellen. Toxische Substanzen setzten den Fledermäusen zu», erklärte Camenisch weiter.

Kleine Nimmersatt

Fledermäuse sind die einzigen Säugetiere, die aktiv fliegen können, was sie Unmengen an Energie kostet. Die nachtaktiven Tiere fressen somit bis zur Hälfte ihres eigenen Körpergewichts pro Nacht, um ihren Energiehaushalt aufrechtzuerhalten. Die nackte, durchblutete Flughaut erfüllt aber auch noch andere Funktionen: unter anderem die Regulierung der eigenen Temperatur oder als Fangapparat für Insekten. Die Kraft zum Fliegen setzt ein dreimal grösseres Herz im Verhältnis zum Körper voraus, im Gegensatz zu anderen Säugetieren.

Im Flug hat die Fledermaus bis zu 800 Herzschläge pro Minute. Sie orientieren sich im Dunkeln mittels Ultraschallwellen, die von Gegenständen reflektiert und zurückgeworfen werden. Die Echos ermöglichen den Tieren, ihre Umgebung zu erfassen, Hindernisse zu orten und Beutetiere zu finden. Auch können sie feststellen, aus welcher Richtung das Objekt stammt, denn der Schall kommt am rechten Ohr immer zuerst zurück. «Blutsaugende Vampirfledermäuse gibt es in Graubünden nicht, es gibt davon nur drei Arten und diese leben allesamt in Südamerika», erklärte Rehsteiner. «Diese Vampirfledermäuse saugen ihre Beute übrigens gar nicht aus, sondern ritzen die Haut nur an und trinken, das was rausfliesst. Die Tiere nehmen generell keinen Schaden dabei. Der berühmte Graf Dracula hat so einiges dafür getan, dass das Gerücht hartnäckig in den Köpfen der Menschen bleibt», so Rehsteiner.

Junge in Wochenstuben

Im Frühling kommen die jungen Fledermäuse zur Welt. Wie bei Säugetieren üblich, sind die Jungtiere bei der Geburt noch nicht voll entwickelt. Die Jungenaufzucht geschieht bei Fledermäusen in sogenannten Wochenstuben, die aus Weibchen und ihren Jungtieren bestehen. Anhand des Geruchs und von Lautäusserungen finden die Weibchen ihre zurückgebliebenen Jungen wieder. Die meisten Fledermausarten bringen nur ein Junges pro Jahr zur Welt. Diese niedrige Fortpflanzungsleistung wird mit einer hohen Lebenserwartung von 20 oder 30 Jahren kompensiert.

Im Sommer konzentrieren sich die Tiere hauptsächlich auf die Nahrungssuche, während im Herbst die Balz beginnt, die bis in die Winterschlafzeit hineindauern kann. Die Weibchen können auch noch da begattet werden. «Ganz fair geht es bei den Fledermäusen also auch nicht zu und her», so Rehsteiner.

Im Winterschlaf verlieren sie übrigens ein Drittel ihres eigenen Körpergewichts und senken ihre Herzschläge auf 17 pro Minute.

Vorträge und Exkursionen

Mit verschiedenen Präparaten, Modellen und Objekten sowie Film- und Fotoaufnahmen möchte die Sonderausstellung zu den nachtaktiven Tieren die Ansprüche und den Schutz der Fledermäuse fördern. Ein Rahmenprogramm mit öffentlichen Führungen, Vorträgen und Exkursionen zum Thema Fledermäuse begleitet die Sonderausstellung.

«Fledermäuse – geheimnisvoll, faszinierend, schützenswert» dauert bis Sonntag, 25. Januar 2015. Öffnungszeiten: Jeweils dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr.

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