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Famos: «Der Bär muss einen Riesenhunger gehabt haben»

In der Nacht auf Donnerstag hat Bär M25 mindestens neun Schafe bei Vinadi gerissen. Das Jungtier soll sich nach wie vor im betroffenen Gelände befinden – eine Herausforderung für den Schafhirten Jon Famos.

Südostschweiz
16.05.14 - 02:00 Uhr

Von Fadrina Hofmann

Vinadi. – Es ist früher Nachmittag, ein nasskalter Donnerstag. Schafhirte Jon Famos aus Vnà unterhält sich am Strassenrand kurz vor Vinadi mit einem Schafhalter aus San Niclà. In der Nacht zuvor hat dieser auf einen Schlag vier seiner fünfzig Schafe verloren. Das Mitleid mit seinen Tieren steht ihm ins Gesicht geschrieben. Bereits am Morgen hat die Wildhut an verschiedenen Stellen im Gebiet La Zipla sechs gerissene Schafe gefunden. Dank eines Senders konnten Curdin Florineth und ein Kollege den Jungbären M25 orten und waren so für einen Kontrollgang früh zur Stelle. «Der Bär muss einen Riesenhunger gehabt haben», erzählt Famos. Zwei der Tiere seien fast komplett aufgefressen gewesen.

Noch am Abend zuvor hatten der Schafhirte und ein paar Bauern in Vinadi bei den Schafen nach dem Rechten gesehen. Schliesslich hatte das Amt für Jagd und Fischerei Graubünden am gleichen Tag informiert, dass sich der Bär im Grenzgebiet zwischen der Schweiz und Österreich befinde. Gerüchten zufolge soll M25 sogar schon auf der Norbertshöhe bei Nauders gewesen sein. Offenbar hat er es sich dann aber nochmals anders überlegt und ist wieder auf die andere Talseite gewandert.

Nachtschicht im Auto angesagt

«Ich mache jeden Tag meine Runde, aber dieses Gebiet ist so weitläufig und wild, dass ein Überblick nicht möglich ist», sagt Famos. Das erklärt auch, warum die Schafhalter ihre Tiere nicht sofort nach Hause geholt haben, als es hiess, der Bär sei in der Nähe. «Es würde Tage dauern, alle Schafe zusammenzutreiben», meint der Schafhirte. Entlang der Engadinerstrasse ist zwar ein Zaun zu sehen, doch die Schafe bewegen sich grossräumig, zum Teil auch im dichten Wald oder in den Felsen. Als erste Massnahme haben die Schafhalter nun entschieden, die Schafe zusammenzutreiben und über Nacht in einem Gehege zu halten. Famos wird diese Nacht im Auto verbringen – kein Vergnügen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Mit Hilfe seines Border Collies soll der Schafhirte dafür sorgen, dass M25 nicht erneut zuschlagen kann.

Ein erfahrener «Bärenvertreiber»

Famos hat bereits einmal einen Bären in die Flucht geschlagen. Das war im Jahr 2005, als mit JJ3 zum ersten Mal wieder ein Bär in die Schweiz einwanderte und in Rusena, auf Gemeindegebiet von Valsot, in die Nähe der Schafe kam. «Damals hatte ich keinen Hund dabei. Ich konnte den Bären nur mit Schreien und Pfiffen vertreiben», erinnert sich der Schafhirte. Angst vor dem Bären hat Famos jedenfalls keine. «Ich glaube nicht, dass er einem Menschen etwas antun würde», lautet seine Begründung.

Famos ist davon überzeugt, dass der Jungbär immer noch im gleichen Gebiet ist. «Der hat keine Eile weiterzuziehen, wenn er sich hier so einfach satt fressen kann», meint er. Der Schafhirte sorgt sich um die Schafe, denn aus Erfahrung weiss er, dass nicht alle 232 Schafe und rund 100 Lämmer bis zum Abend eingesammelt werden können, auch wenn alle betroffenen Bauern und Schafzüchter mithelfen.

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