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Fahrplan für Übergang verschärft Polarisierung

Die ehemals in Ägypten regierende Muslim- bruderschaft setzt nach ihrem Sturz auf Blockade: Die Islamisten lehnten gestern sowohl den neu eingesetzten Chef der Übergangsregierung, Hasem el-Beblawi, als auch den Fahrplan für Neuwahlen ab.

Südostschweiz
10.07.13 - 02:00 Uhr

El-Beblawi ist Ökonom und amtierte bereits von Juli bis Dezember 2011 als Finanzminister. Nach dem Sturz von Langzeitherrscher Husni Mubarak war er Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei.

Die Nur-Partei, die den liberalen Friedensnobelpreisträger Mohamed El Baradei als Regierungschef abgelehnt hatte, versprach El-Beblawi nun ihre Unterstützung. Die Nur-Partei ist die zweitgrösste islamistische Gruppe nach den Muslimbrüdern. El Baradei wurde derweil zum Vizepräsidenten für Auswärtige Beziehungen ernannt. Übergangspräsident Adli Mansur hatte angekündigt, das Land mit baldigen Parlamentswahlen und einer überarbeiteten Verfassung aus der Krise führen zu wollen.

Der Interimsnachfolger des vom Militär gestürzten Islamisten Mohammed Mursi legte dazu am Montagabend einen detaillierten Zeitplan vor. Demnach soll die Übergangsphase binnen höchstens 210 Tagen abgeschlossen und spätestens im Februar eine neue Volksvertretung zusammengetreten sein.

Mursis Muslimbruderschaft lehnte den Plan rundheraus ab. «Das bringt uns wieder an den Nullpunkt zurück», sagte der hochrangige Funktionär Essam al-Arian: «Nun wird klar, dass man nicht nur auf den Präsidenten abzielt, sondern auch auf die Identität und die Rechte der Menschen, auf die Demokratie.»

Verfassung wird überarbeitet

Die islamistische Organisation versammelte am Dienstag ihre Anhänger zu weiteren Grosskundgebungen. In seiner sogenannten Verfassungserklärung gab sich Mansur die Vollmacht, den Notstand für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten zu verhängen und bis zur Wahl des neuen Parlaments Gesetze zu erlassen.

Auch die umstrittene, islamistisch geprägte Verfassung wird überarbeitet. Damit wird ein 15-köpfiger, hauptsächlich aus Richtern bestehender Ausschuss beauftragt. Der Ausschuss soll seine Vorschläge einer 50-köpfigen Versammlung vorlegen, die alle gesellschaftlichen Schichten repräsentieren soll. Über den neuen Text soll schliesslich in einem Referendum abgestimmt werden. Danach soll ein neues Parlament gewählt werden, das dann rasch die Präsidentenwahl ansetzt. Der Verfassungsexperte Siad el-Ali geht davon aus, dass die überarbeitete Verfassung in der Tradition der bisherigen post-kolonialen ägyptischen Grundgesetze stehen wird. «Nicht gut in Bezug auf die Rechte (der Bürger) und vage im Hinblick auf das Wesentliche», schrieb er auf Twitter.

Vor Beginn des Fastenmonats

Der Vorstoss Mansurs kam, nachdem die Lage in Ägypten am frühen Montagmorgen dramatisch eskaliert war. Bei Zusammenstössen zwischen Islamisten und dem Militär in Kairo wurden nach offiziellen Angaben mindestens 51 Menschen getötet und 435 weitere verletzt.

Das Militär gab an, Bewaffnete hätten den Offiziersclub der Republikanischen Garde stürmen wollen. Die Muslimbruderschaft sprach dagegen von Angriffen auf friedliche Demonstranten beim Morgengebet. Die USA wollen trotz des Sturzes von Mursi weiterhin Militär- und Finanzhilfen an Kairo zahlen. (sda)

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