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Extrawurst ist keine Lösung

Es ist auf den ersten Blick stossend: Der Besitzer einer Imbiss- bude muss dem Staat für jede verkaufte Bratwurst 2,5 Prozent Mehrwertsteuer abliefern.

Südostschweiz
15.09.14 - 02:00 Uhr

Von Doris Kleck

Es ist auf den ersten Blick stossend: Der Besitzer einer Imbiss- bude muss dem Staat für jede verkaufte Bratwurst 2,5 Prozent Mehrwertsteuer abliefern. Vom Wirt verlangt der Staat acht Prozent. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb diese beiden Würste steuerlich nicht gleich behandelt werden. Eine Wurst ist eine Wurst. Nur eben: Die Mehrwertsteuer ist eine vertrackte Sache. So gibt es neben dem Normalsatz von acht Prozent zwei Sondersätze. Derjenige für die Hotellerie von 3,8 Prozent wurde 1996 wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage eigentlich befristet eingeführt. Daneben gibt es den reduzierten Satz. Doch diesem unterliegen nicht nur Lebensmittel, sondern auch Feld- arbeiten, Nährstoffe für Schnitt-blumen, Futterinsekten für Amphibien oder Katzenstreu.

Die Probleme der Mehrwertsteuer sind also grundlegender Natur. Anstatt sie anzugehen, fordern die Wirte für sich einfach ein neues Privileg. Restaurants sollen zum gleichen Satz wie Lebensmittel besteuert werden. Was sie als sozialpolitische Errungenschaft verkaufen wollen, schafft neue Ungerechtigkeiten. Oder weshalb soll der Kaviarkonsum im Restaurant einem Satz von 2,5 Prozent und die Windeln dem Normalsatz unterliegen? Zwar ist unklar, wie die Initiative bei einer Annahme umgesetzt würde. Sicher aber ist, dass der Bund entweder Einnahmeausfälle von 750 Millionen Franken in Kauf nehmen muss. Oder dass dieser Betrag kompensiert wird: Nach dem Willen des Bundesrates über eine Erhöhung des reduzierten Satzes. Nimmt das Parlament Steuerausfälle in Kauf, schränkt es den finanzpolitischen Spielraum des Bundes ein. Dort stehen aber mit der Unternehmenssteuerreform III und der steuerlichen Entlastung der Familien bereits Projekte an, welche der breiten Bevölkerung mehr bringen. Werden die Einnahmenausfälle durch die Anhebung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes kompensiert, profitieren Gutverdienende, die häufig auswärts essen.

Gastro Suisse wird im Abstimmungskampf nicht müde, die Bedeutung der Branche hervorzustreichen: als Stütze der Wirtschaft in Randregionen oder als Küchentisch der Nation. Doch mit Verlaub: Für die Regionalpolitik gibt es andere Instrumente. Und wenn die Restaurants Küchentisch der Nation bleiben wollen, dann müssen sie sich den Herausfor- derungen stellen. Der Kunde geht nicht zum Take-away, weil er dort weniger Mehrwertsteuer bezahlt. Take- aways legen zu, weil sich die Gewohnheiten verändern. Es gibt Restaurants, die passen sich an und stellen sich dem Wettbewerb. Innovation ist die nachhaltigere Lösung, als eine Extrawurst zu fordern.

zentralredaktion@suedostschweiz.ch

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