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Euroländer kaufen sich mehr Zeit

Mit der Befürchtung vor einer Abwärtsspirale begründete Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), den Entscheid gestern: Es wird zu wenig investiert, Preise drohen zu sinken, die Wirtschaft könnte schrumpfen.

Südostschweiz
23.01.15 - 01:00 Uhr

Ob Draghis Billionen-wette aufgehen wird, muss sich weisen. Das «Quantitative Easing» ist kein normales Mittel der Geldpolitik, die Erfahrungen damit sind bescheiden. In den USA zumindest hat es nach der Finanzkrise die Wirtschaft erstaunlich rasch gesunden lassen, wenn auch unter anderen Vorzeichen.

Mit der Hilfe der EZB sind die Probleme der Eurozone aber lediglich aufgeschoben, die Euroländer kaufen sich auf dem Umweg über die EZB mehr Zeit. Zeit, um die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu verbessern. Diese schmerzhafte Aufgabe hätten sie nach der Finanzkrise sofort an- gehen müssen. Krisenländer wie Griechenland, Spanien, Portugal oder Irland wurden dazu gezwungen, doch vor allem Frankreich und Italien drückten sich lange um ernsthafte Reformen. Immerhin sind diese in-zwischen aufgegleist. Hielte nun aber wieder der Schlendrian Einzug, würde die Wirkung der Geldspritze rasch verpuffen.

Mit nationalen Reformen allein ist es aber noch nicht getan. Die Währungsunion muss stärker zusammenwachsen, um dauerhafter zu werden. Der Euro leidet darunter, dass er die Wirtschaftsstärke der ganzen Zone wiedergeben soll. Doch schafft diese es nicht, die Kluft zwischen Krisenländern wie Griechenland und Musterknaben wie Deutschland zu verkleinern, drohen stets neue Spannungen.

Deutschland etwa zeigt immer deutlicher die Grenzen seiner Bereitschaft, für schwächere Länder wie Griechenland noch mehr Geld einzusetzen. Positiv zu werten ist aber, dass die Euroländer bisher politischen Willen und Kompromissbereitschaft bewiesen. So erstickten sie jede Gefahr eines Auseinanderbrechens des Euros im Keim.

Die Schweiz muss derweil darauf hoffen, dass Draghis Wette aufgeht. Kurzfristig leidet sie zwar darunter, weil der Euro noch tiefer sinkt und Exporte noch teurer werden. Doch langfristig hat die Schweiz ein grosses Interesse daran, dass die Wirtschaft ihres wichtigsten Handelspartners rasch wieder aufblüht.

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