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Es ist Zeit für eine verbindliche Raumplanung

Vielerorts wird vorgelebt, was das revidierte Raumplanungsgesetz fordert. Und es lässt sich gut leben damit. Eine Analyse.

Südostschweiz
13.02.13 - 01:00 Uhr

Von Stefan Schmid, Bundeshaus

Nicht alles läuft schief in der helvetischen Raumplanung: Zürich und Basel zum Beispiel haben begriffen, dass das Flächenwachstum ihres Siedlungsgebiets nicht nachhaltig ist. Also werden Industriebrachen umgenutzt und alte Gebäude durch höhere Wohn- und Geschäftshäuser ersetzt. Verdichtung nach innen, ist die Losung. Auch auf dem Land oder in den Bergen gibt es solch vorbildhafte Gemeinden.

Pikanterweise hat ausgerechnet die Walliser Hauptstadt Sitten dieses Jahr den Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes erhalten. Trotz demografischen Drucks hat die Kommune mit ihren 31 000 Einwohnern die Bauzonen nicht ausgeweitet. Im Richtplan haben die Behörden grüne Zonen definiert, die zu schützen sind. Preiswert, fanden die Heimatschützer und setzten damit im raumplanerisch eigenwilligen – um nicht zu sagen renitenten – Wallis ein starkes politisches Zeichen.

Auch einige Kantone haben ihre Hausaufgaben gemacht und nur so viel Land eingezont, wie sie auch wirklich brauchen. Städte, Dörfer und Kantone, die schon bisher haushälterisch mit dem Boden umgegangen sind, brauchen sich vor dem revidierten Raumplanungsgesetz (RPG) nicht zu fürchten. Für alle anderen hingegen ist es höchste Zeit, verbindlicher zu planen und der Verschwendung des Bodens Einhalt zu gebieten.

Wir alle tragen Verantwortung

Die Zahlen sind bekannt: Jährlich wird hierzulande eine Fläche so gross wie der Walensee zugebaut. In 24 Jahren haben die Siedlungsgebiete um 23 Prozent zugenommen – das entspricht der Fläche des Genfersees. Besonders beunruhigend: Das Siedlungswachstum ist grösser als das Bevölkerungswachstum. Schuld an der fortschreitenden Zersiedelung sind also nicht alleine die bösen Einwanderer, sondern wir alle. Der Wohnflächenverbrauch pro Kopf steigt stetig, der Traum vom Haus im Grünen ist immer noch nicht ausgeträumt, obwohl diese Rechnung auf Dauer nicht aufgehen kann.

Das Hauptziel des Gesetzes besteht freilich nicht darin, das Wachstum generell abzuklemmen. Ziel ist vielmehr, die Siedlungsentwicklung besser zu steuern. Neue Häuser, Strassen und Einkaufszentren sollen in erster Linie dort gebaut werden, wo die entsprechende Nachfrage gross ist. Im Mittelland, entlang bestehender Verkehrsachsen oder eben innerhalb von Siedlungsflächen. Einzonungen bleiben weiterhin möglich.

Dies bedeutet aber auch, dass Kantone und Gemeinden, die verschwenderisch eingezont und sich in der Vergangenheit um raumplanerische Vorgaben des Bundes foutiert haben, möglicherweise gezwungen werden, Bauland wieder auszuzonen. Die grosse Mehrheit der Kantone geht allerdings davon aus, dass in ihrem Gebiet nicht mit Rückzonungen zu rechnen sein wird.

Weiter sieht das RPG die bessere Nutzung von bereits vorhandenem Bauland vor. Wer an bester Lage – also innerhalb eines Siedlungsgebiets – ein Grundstück besitzt, kann künftig veranlasst werden, sein Land für eine Überbauung freizugeben. Diese Vorgabe macht Sinn. Es ist nicht im allgemeinen Interesse, dass gutes Bauland privat gehortet wird, derweil an den Siedlungsrändern neue Wiesen eingezont werden müssen.

Gesetz ist nicht perfekt, aber gut

Wer die Zersiedelung der Schweiz stoppen will, legt ein Ja in die Urne. Die Kantone werden nicht entmachtet. Sie bleiben die Hauptakteure der Raumplanung. Aber sie können sich künftig nicht mehr aus der Verantwortung stehlen. Gewiss: Das Gesetz ist nicht über alle Zweifel erhaben. Nicht abschliessend geklärt ist etwa die Frage, wie Rückzonungen im Wallis, wo die Bauzonen viel zu gross sind, finanziert werden sollen. Doch Bundesrätin Doris Leuthard ist es zuzutrauen, dass sie eine Lösung finden wird, die auch für das Wallis erträglich ist.

Die Warnungen der Gegner vor «Horrormieten», «Enteignungen» und «massiven Steuererhöhungen» sind indes an den Haaren herbeigezogen. Mit derlei Behauptungen wollen sie letztlich davon ablenken, dass sie punkto Raumplanung gar nichts unternehmen wollen. Lokale Kirchturmpolitik statt überregionaler Weitsicht. Wer das Gesetz ablehnt, ist für das bisherige, unkoordinierte Jekami. Bekenntnisse gegen die Zersiedelung und zum Schutz der Landschaft verlieren so an Glaubwürdigkeit.

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