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«Es geht mir wirklich ganz schlecht»

Peter Barandun ist Präsident des Verwaltungsrats und Chief Executive Officer der Electrolux AG. Und als CEO musste er den Angestellten in Schwanden gestern die geplante Schliessung des Werks erklären.

Südostschweiz
21.10.14 - 02:00 Uhr

Mit Peter Barandun sprach Marco Häusler

Herr Barandun, in der Medienmitteilung ist von einer «geplanten» und einer «allfälligen» Schliessung des Werks in Schwanden die Rede. Was gilt jetzt?

Peter Barandun: Es ist so, dass wir zuerst in ein Konsultationsverfahren gehen, in dem wir Gespräche mit einer Arbeitnehmervereinigung und dem politischen Umfeld führen, also mit dem Kanton und den Gemeinden. Dabei werden wir versuchen, eine Lösung zu finden und natürlich auch über einen Sozialplan sprechen.

«Wir haben immer für den Standort gekämpft»

Gibt es also noch eine Möglichkeit, dass man von einer Schliessung absieht?

Die Chancen dafür sind sehr, sehr klein. Wir haben einige Möglichkeiten geprüft und sind erst dann zum Entscheid gekommen, dass wir die Schliessung hinnehmen oder in Betracht ziehen müssen. Davon hätten wir abgesehen, wenn wir einen Weg gefunden hätten. Wir haben immer für den Standort Schwanden gekämpft. Dieser stand in den letzten zehn Jahren immer wieder auf der Traktandenliste. Wir konnten den internationalen Druck aber stets mit guten Argumenten abwenden. Ausschlaggebend waren nun aber jene, die in der Medienmitteilung genannt werden.

Aufgeführt wird darin unter anderem der Wegfall des Labels «Swiss Made».

Das ist nur einer der Aspekte. Der Hauptgrund ist, dass es auf dem Markt fundamentale Veränderungen gegeben hat. Auf dem europäischen Markt sind die Stückzahlen seit 2007 um 15 Prozent zurückgegangen. Wir haben Preise, die pro Jahr um drei Prozent eingebrochen sind. Erst danach spielt auch der Schweizer Aspekt eine Rolle. Da hat das Parlament ja den Beschluss erlassen, dass «Swiss Made» nur benutzen darf, wer 60 Prozent der Wertschöpfung in der Schweiz hat. Das aber ist ein tragender Pfeiler unserer Kommunikation, der jetzt wegfällt. Es ist an unserem Hauptsitz in Schweden als sehr negativ angesehen worden, dass uns ein Hauptargument vom eigenen Land weggenommen wird.

In der Medienmitteilung steht dazu, die Schwandner Produkte könnten die für «Swiss Made» nötigen Anforderungen wegen «gewissen Bereichen der Wertschöpfungskette innerhalb der Electrolux-Gruppe» nicht erfüllen. Was muss man sich darunter konkret vorstellen?

Es ist so, dass für das Label 60 Prozent vom Gesamten – das geht, von der Forschung und Entwicklung bis zur Produktion – in der Schweiz stattfinden müsste. Und das ist für uns unmöglich. Wir haben schon immer mit den anderen Werken in Europa kooperiert. Sonst hätten wir die Qualität nicht halten können, und das hätte finanziell ins Desaster geführt.

Als Hauptgrund erwähnten Sie den Markt, der zusammenbricht. Doch das passiert ja nicht erst seit gestern. Seit wann zeichnete sich das ab?

Der Ursprung geht auf Ende 2010 zurück. Und das gilt nicht nur für unsere Branche. Wir erinnern uns zurück, als der Euro noch bei 1,50 Franken lag. Jetzt liegt er bei 1,20 Franken. Dieser Zusammenbruch um 20 Prozent brachte den Importeuren natürlich einen riesigen Vorteil gegenüber uns Schweizer Herstellern. Das war der Hauptgrund. Aber wir hatten nicht damit gerechnet, dass der Preiszerfall so stark vorwärtsgeht. Auch in der Schweiz kämpfen wir – je nach Produktgruppe – mit einem Preiszerfall von drei bis fünf Prozent. Das vernichtet uns den Ebit (die Redaktion: «earnings before interest and taxes»‚ Gewinn vor Zinsen und Steuern) und die Wirtschaftlichkeit. Wir selber beschäftigen immer noch 700 Leute in der Schweiz. Und wir sind auch dafür verantwortlich, diesen eine Zukunft bieten zu können.

Als weiterer Grund für die geplante Schliessung wird der Verzicht auf die neue Produktionslinie mit sogenannten Ultra-Highend-Produkten genannt, also solche für das Hochpreissegment.

Ja, im Konzern war angedacht, 2012 eine Ultra-Highend-Linie in Europa einzuführen. Nach Detailabklärungen in den verschiedenen Ländern hat man erkannt, dass der Bedarf auf sehr tiefem Niveau wäre. Somit hat man das Projekt gestoppt und nicht mehr weiterverfolgt …

… das klang vor zwei Jahren doch noch ganz anders, als man bereits einmal 80 Leute entlassen musste. Damals sollte in Schwanden ja genau diese Neuausrichtung auf Premium-Produkte den Rest des Betriebs retten.

Ja, das ist so. Und wir hatten ganz stark daran geglaubt, dass das umgesetzt wird und mittelfristig auch Erfolg bringt. Mir war aber schon damals klar, dass wir das Jahr 2020 so nicht sehen werden, aber wenigstens die nächsten fünf Jahre planen können. Das hatten wir damals so angesagt und jetzt leider verfehlt.

Weiter wird erwähnt, dass in Schwanden regelmässig modernisiert und investiert wurde. Kann man das in einem Betrag ausdrücken?

Wir haben allein im letzten Jahr über eine Million investiert …

… und diese jetzt somit ziemlich sicher in den Sand gesetzt.

Ja, das kann man so sagen. Es ist sicher über eine Million verloren gegangen. Aber für jene, die das Gebäude dann allenfalls übernehmen, gibt es natürlich einen Mehrwert. Es ist also doch nicht einfach in den Sand gesetzt.

Sie sagten schon vor zwei Jahren, dass Sie eine schlaflose Nacht verbrachten, bevor Sie den Verlust der 80 Stellen kommunizieren mussten. Jetzt standen Sie erneut vor dieser Situation, und es ist noch schlimmer geworden. Ich nehme an, es geht Ihnen nicht besser.

Es ist das schlimmste Erlebnis, das ich je gehabt habe. Und ich habe wieder nicht geschlafen. Es geht mir wirklich ganz schlecht. Aber es geht dabei ja nicht um mich, sondern um die Mitarbeitenden.

«Der Sozialplan wird grosszügig ausfallen»

Für sie soll ein Sozialplan entworfen werden. Weiss man schon ungefähr, wie der aussehen könnte?

Den Sozialplan handeln wir mit der Arbeitnehmervertretung aus. Da kann ich jetzt schon garantieren, dass er sehr grosszügig sein wird. Wir suchen nach individuellen Lösungen und werden uns auch Einzelfälle ansehen. Das haben wir so zugesagt.

Denn – einfach um das noch einmal klar festzuhalten – nach heutigem Stand sind die Rollläden in Schwanden spätestens Ende 2015 definitiv unten?

Davon muss man zurzeit ausgehen.

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