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Eine Kalkulation mit vielen Unbekannten für NLA-Teams

Wie gehen die Schweizer Eishockey-Klubs mit der möglichen Flut von Stars aus der National Hockey League (NHL) bei einem allfälligen Lockout um? Ausser dem HC Davos wagt sich noch niemand auf die Äste hinaus.

Südostschweiz
26.08.12 - 02:00 Uhr

Von Marcel Kuchta

Eishockey. – Die Erinnerungen sind immer noch präsent und zaubern bei jedem Eishockey-Fan ein versonnenes Lächeln auf die Lippen. Acht Jahre ist es her, als plötzlich Spieler wie Joe Thornton, Rick Nash, Niklas Hagman (alle Davos), Daniel Brière oder Dany Heatley (beide Bern) in den hiesigen Eisarenen ihr Können zum Besten gaben. Im Herbst 2004 sperrte die NHL ihre Spieler im Rahmen der Verhandlungen um einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (CBA) aus. Am Ende fiel die ganze NHL-Saison aus. Nun droht sich die Geschichte zu wiederholen. Am 15. September, also etwa dann, wenn die NLA-Qualifikation beginnt, läuft das aktuelle CBA aus. Und die Zeichen stehen erneut auf Lockout.

In dieser Situation sind die Sportchefs der zwölf NLA-Teams gefordert. Sollte der geplante Start der NHL-Saison tatsächlich ins Wasser fallen, würde der Spielermarkt plötzlich von Dutzenden NHL-Stars überflutet werden. Da schlagen zwar die Herzen der Eishockey-Fans höher, doch den Klub-verantwortlichen bereitet diese Perspektive nicht nur Freude.

«Wir wollen keine Störfaktoren»

Das Hauptproblem ist – und das ist der grosse Unterschied zum Jahr 2004 –, dass niemand so recht weiss, wie sich die Lage in Nordamerika entwickelt. Die Bandbreite der Meinungen reicht vom regulären Start in die NHL-Saison bis zum Totalausfall. ZSC-Lions-Sportchef Edgar Salis geht von einem kurzen, vier bis sechs Wochen dauernden Lockout aus. «Alle rechnen damit, dass es dazu kommt. Doch Stand heute richten wir unsere Planung nicht auf den Lockout aus.» Salis stellt sich nicht zu Unrecht die Frage, ob es unter diesen Umständen sinnvoll ist, das mitunter diffisile Mannschaftsgefüge mit dem kurzfristigen Gastspiel eines NHL-Stars durcheinanderzubringen: «Wir wollen, dass das Team funktioniert und keine Störfaktoren.»

Anders tönt es aus Bern, wo mit Mark Streit, Roman Josi und Jonas Hiller derzeit gleich drei Schweizer NHL-Cracks im Trainingsbetrieb involviert sind. Sportchef Sven Leuenberger denkt, dass sich ein temporäres Gastspiel der Stars nicht negativ auswirken würde. Noch ist man allerdings beim SCB weit davon entfernt, konkret mit dem möglichen Lockout zu planen. «Wir beobachten, was passiert. Es gibt aber viele Faktoren, die vorher abgeklärt werden müssen», gibt sich Leuenberger vorsichtig. Beispielsweise die horrenden Versicherungssummen, die je nach Kaliber des NHL-Spielers fällig würden. Je prominenter der Name und je länger der Vertrag in der NHL läuft, umso teurer wird das Gesamtpaket für den Klub.

«Kein Kässeli für NHL-Stars»

Im Zusammenhang mit den Versicherungen spricht Langnaus Sportchef Ruedi Zesiger von einem «Killer-Kriterium». Das grosse Thema ist das Geld. «Für NHL-Stars haben wir kein spezielles Kässeli. Das würde nur über eine Spezialfinanzierung ausserhalb des Budgets funktionieren», erklärt Zesiger und betont, dass die Tigers mit nur drei Ausländern in die Saison starten werden. Erst zwei Ausländer unter Vertrag haben die Kloten Flyers. Einer der beiden, Tommi Santala, droht mit einem Knorpelschaden die ganze Saison auszufallen. Kaum überraschend deshalb, dass die Flieger mit ihrer Lockout-Planung schon weit fortgeschritten sind. «Wir haben Couverts mit fixfertigen Angeboten in der Schublade», sagt CEO Wolfgang Schickli, der in Ermangelung eines Sportchefs zusammen mit Trainer Tomas Tamfal die Transferaktivitäten steuert. «Maximal zwei NHL-Spieler würden kommen. Die müssen aber in unser knappes Budget passen», unterstreicht Schickli.

Jakub Horak, der neue Sportchef des EV Zug, muss sich fast gezwungenermassen mit den NHL-Cracks beschäftigen. Er sagt denn auch: «Der Lockout ist für uns Fluch und Segen zugleich.» Ein Fluch, weil das Budget eigentlich keine Sonderausgaben vorsieht. Ein Segen, weil sich mit Rafael Diaz und Luca Sbisa zwei EVZ-Eigengewächse für Einsätze im Falle eines Lockouts aufdrängen. Horak sucht auch noch einen vierten Ausländer, denkt dabei aber nicht in erster Linie an eine NHL-Lösung. «Der Spieler ist im Idealfall beim Meisterschaftsstart dabei und bleibt die ganze Saison.»

In Davos geht man das Thema Lockout gelassen an. Präsident Gaudenz Domenig liess unlängst verlauten, dass die Verpflichtung von Joe Thornton und Rick Nash, die den HCD in der Saison 2004/05 zum Meistertitel verholfen hatten, im Fall aller Fälle nur Formsache sei. Wenn es nur immer so einfach wäre.

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