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Ein richtig schlechter Witz

Jonas Schneeberger ist Sportredaktor bei der «Südostschweiz»

Südostschweiz
23.11.14 - 01:00 Uhr

Jonas Schneeberger ist Sportredaktor bei der «Südostschweiz»

<strong>Der Inhalt</strong> des Agenturartikels war nicht zum Lachen. Aber das Urteil nach den Ermittlungen der Fifa-Ethikkommission im Zuge der Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit den WM-Vergaben 2018 und 2022 war ein Witz. Ein richtig schlechter Witz. Das empfanden nicht nur wir ziemlich ahnungslosen Aussenstehenden so, sondern auch ausgewiesene Fifa-Experten.

<strong>Die Kernbotschaft </strong>des von der Fifa-Kommission veröffentlichten Berichts lautete: «Die beiden WM-Gastgeber sind vom Vorwurf der Korruption freigesprochen. Der Chefinvestigator Michael Garcia konnte trotz jahrelangen Ermittlungen keine Beweise für gravierende Bestechungen finden.»

<strong>«Wie auch </strong>ohne die Erlaubnis für die Einsicht in die Konten?», fragte sich darauf Andrew Jennings, britischer Autor mehrerer Bücher über die Fifa. «Nur da ist die Wahrheit zu finden. So ist das alles ein Witz.»

<strong>Im Urteil </strong>heisst es: «Die siegreichen Bewerber Russland und Katar haben sich zwar – wie andere Kandidaten im Übrigen auch – einige Verfehlungen zuschulden kommen lassen, doch waren die Auswirkungen dieser Ereignisse weit davon entfernt, jede Schwelle zu überschreiten, die eine Rückkehr im Bieterverfahren geschweige denn Neuausschreibungen erfordern würde.» – Aha, ein wenig «bescheissen» bei der Vergabe eines milliardenschweren Fussball-Projekts also alle.

<strong>Ausserdem: </strong>«Fifa-Präsident Sepp Blatter wird im Bericht ausdrücklich von jedem Verdacht freigesprochen und für seine aktive Rolle im Prozess der Demokratisierung der Fifa gelobt.»

<strong>Eine aktualisierte Version </strong>des Agenturartikels folgte bald. Michael Garcia, der während eineinhalb Jahren im Auftrag der Fifa ermittelt hatte und der Ethikkommission einen 350-seitigen Bericht mit seinen Ergebnissen vorgelegt hatte, schaltete sich ein. Der frühere FBI-Direktor war ganz und gar nicht einverstanden mit dem Freispruch von Russland und Katar. Wegen «zahlreicher unvollständiger und fehlerhafter Darstellungen der Tatsachen und Schlussfolgerungen» kündigte er einen Rekurs gegen das Urteil an.

<strong>Wie es scheint, </strong>nimmt man es bei der Fifa mit der Wahrheit immer noch nicht so genau. Nicht gravierend? Völlig in Ordnung.

jschneeberger@suedostschweiz.ch

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