×

Ein Rechtsruck im neuen Grossen Rat?

Mit der am kommenden Mittwoch beginnenden Augustsession wird die Legislatur eingeläutet. Die wichtigste Neuerung ist, dass erstmals die neue SVP in Fraktionsstärke im Kantonsparlament antritt, die gleich sechs Sitze zulegte.

Südostschweiz
23.08.14 - 02:00 Uhr

Mit der am kommenden Mittwoch beginnenden Augustsession wird die Legislatur eingeläutet. Die wichtigste Neuerung ist, dass erstmals die neue SVP in Fraktionsstärke im Kantonsparlament antritt, die gleich sechs Sitze zulegte. Dass die SVP auf der Regierungsbank nicht vertreten ist, muss kein Unglück sein, aber sie kann den Parlamentsbetrieb beleben. Bemerkenswert ist, dass das Bündnervolk diese radikalere Rechte nicht in der Regierung wollte, aber im Parlament schon. Dies muss kein Widerspruch sein und kein Hindernis, konstruktive Arbeit zu leisten. Nur in der Ko- operation, nicht in der Isolation, werden Kompromisse erzielt, die schliesslich auch vor dem Souverän Bestand haben. Eine Rechtsaussenpolitik mag vielleicht spektakulär sein, Opposition um der Opposition willen ist aber wenig zielführend. Koalitionen mit anderen Fraktionen sind zu knüpfen, damit das Politisieren nicht Selbstzweck wird, sondern tragfähige Entscheide ermöglicht.

Die FDP ist immer noch die stärkste Fraktion, die der Kantonspolitik ihren Stempel aufdrücken will und ist von der Regierungsbank aus gesehen rechts angesiedelt, und dort wird auch die erstarkte SVP ihren Platz haben. Die leicht geschrumpfte CVP sitzt in der Mitte des Saales, sozusagen wie es ihrer politischen Position entspricht.

Das bürgerliche Lager, nicht aber das Parlament insgesamt, ist etwas nach rechts gerückt. Denn die SP hat leichten Zuwachs erhalten, und offen für «linke» Anliegen sind Teile der CVP, die ihre Wurzeln in der ehemaligen CSP haben und der christlichen Sozialpolitik verpflichtet sind. Ein wichtiger Ausgleich in Zeiten, da als einziger Glaubenssatz neoliberale Optimierung der Wirtschaft gilt und der Tanz um das goldene Kalb ein Revival zu erleben scheint.

Der Grosse Rat muss sich sei- ner Verantwortung als oberste Instanz bewusst sein. Zu stark dominiert im medialen Scheinwerferlicht die Exekutive. In diesem Spannungsfeld ist das Parlament gefordert, Rückgrat zu beweisen, Botschaften zu hinterfragen und auch den eigenen Regierungsvertretern nicht kritiklos zu folgen. Gewiss, die Waffen sind ungleich verteilt: Die Regierung weiss eine vielhundertköpfige Verwaltung hinter sich, da gerät das Parlament schnell an seine Grenzen. Botschaften wie Kantonsschule und andere werden durchgewunken, die dann an der Urne Schiffbruch erleiden. Aufwendige Referenden könnten erspart bleiben, wenn sich die Parlamentarier bemühten, die verschiedene Sicht der Dinge zur rechten Zeit einzubringen. Sie müssen die gerne zitierten Stimmen der Talschaften gegen das «zentralistische» Chur sein. Den Grossräten, die antreten, ihre Verantwortung in den nächsten vier Jahren wahrzunehmen, ist eine glückliche Hand zu wünschen. Eine Arbeit, deren Ergebnis letztlich alle, ob sie sich dafür interessieren oder nicht, direkt oder indirekt zu spüren bekommen.

Claudio Willi, Dr. phil., Historiker und Journalist, Schwerpunkt Politik, cwilli@buendnertagblatt.ch

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR