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Ein Jazzgott gibt sich die Ehre

Was für ein Abend, was für ein Konzert! Am vergangenen Dienstag spielte der grosse amerikanische Pianist und Komponist Chick Corea im ausverkauften «Dracula Club» beim Festival da Jazz St. Moritz.

Südostschweiz
18.07.13 - 02:00 Uhr

Von Marina U. Fuchs

St. Moritz. – Solche Abende sind Sternstunden, die einen in andere Welten versetzen, Zeit und Raum vergessen lassen. Wem das Eröffnungskonzert des diesjährigen Festival da Jazz in St. Moritz zu funkig war, der konnte am Dienstag mit Chick Corea und seiner Band The Vigil so richtig geniessen, in Erinnerungen schwelgen und neue Entdeckungen machen.

Man mag es kaum glauben, dass der schmale, agile Chick Corea bereits 72 Jahre alt ist. Er strahlt gelassene Lebensfreude, Kraft und intensive Kreativität aus. In einem Interview erklärte er kürzlich, dass es für ihn am wichtigsten sei zu komponieren, auf Tour zu gehen und überall für Menschen zu spielen – «für mich hat das Leben gerade erst begonnen».

20 Grammys erhalten

Coreas Karriere ist legendär wie er selbst. Er war Weggefährte von Miles Davis, und in einer Anekdote erzählt er vom grossen Vertrauensverhältnis. So fragte der junge Chick vor dem allerersten gemeinsamen Auftritt, ob es eine Probe gebe, und Davis meinte nur, er solle einfach spielen, was er höre. Dieses Hören und Zuhören empfand man auch an diesem Abend im «Dracula Club». Selbst wenn die sechsköpfige Formation Bekanntes spielte, hatte man das Gefühl, man erlebe das Entstehen von Neuem gerade in diesem Augenblick mit. 20 Grammys – die letzten beiden in diesem Jahr – hat Corea neben vielen anderen Preisen gewonnen, 61-mal war er nominiert. Mit seiner Band Return To Forever hatte er in den Siebzigerjahren Musikgeschichte geschrieben, bevor er sich seiner Solokarriere widmete, später weitere Gruppen gründete und mit dem London Philharmonic Orchestra sein erstes von bislang zwei Klavierkonzerten einspielte. Er hat mit allen Grössen der Jazz-Geschichte zusammengespielt, sei es nun Herbie Hancock, John McLaughlin, Gary Burton oder Bobby McFerrin. Corea arbeitet nachhaltig daran, neue Techniken zu entwickeln und eine veränderte Herangehensweise an die Musik zu finden.

Fünf hervorragende Solisten

Nun tourt Corea mit seiner neuen Band The Vigil um den Globus. Er hat exzellente junge Musiker um sich geschart, von denen jeder eigentlich ein Solist, ein beeindruckender Könner auf seinem Gebiet ist. Wichtig bei der Auswahl sind Corea die Einzigartigkeit und der gemeinsame Draht, das gemeinsame Musikempfinden.

Diese Verbindung spürte und sah man als Zuhörer während des ganzen Abends. Die brillanten Musiker gingen aufeinander ein, fast ständig waren sie in Blickkontakt mit Corea. Jeder hatte Raum, sich zu präsentieren, und dennoch bildeten sie ein stupendes Ganzes. Sie setzten Coreas akustische und elektrische Visionen gekonnt um und sponnen sie weiter. Christian McBride ist ein Meister am Bass, Tim Garland faszinierte mit seinen Saxofonklängen. Der formidable Marcus Gilmore an den Drums sowie der Percussionist Luis Quintero rissen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Aber auch der entrückt wirkende Gitarrist Charles Altura zeigte seine Klasse. Natürlich war nach dem Set noch nicht Schluss, und Corea und seine Mitspieler liessen sich nicht lange zu einer Zugabe bitten. Corea fühlte sich ganz offensichtlich wohl in der einzigartigen Atmosphäre des «Dracula Club», und so sollen neue gemeinsame Projekte bereits angedacht sein.

Aber nun geht es erst einmal weiter mit den diesjährigen Höhepunkten: Auftritte von Nigel Kennedy und Fazil Say sowie ein kostenloses Open-Air-Konzert von Earth, Wind & Fire am kommenden Dienstag auf Muottas Muragl stehen an. Nach den Prognosen scheint Petrus dem Festival wohlgesonnen, Sonne ist angesagt.

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