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Ein Erfinder aus Not und Leidenschaft

Der Aroser Patrick Mayer ermöglicht Rollstuhlfahrern das Fortkommen im Schnee. Seine Wheelblades sollen heuer in die Serienproduktion gehen. Auf die Idee für die Kufen ist der 33-Jährige nach einem Schicksalsschlag gekommen.

Südostschweiz
29.01.12 - 01:00 Uhr

Von Olivier Berger

Arosa. – Nein, mit dem Schicksal hadern mag Patrick Mayer nicht. «Das hat keinen Sinn», sagt er. «Man muss die Gegebenheiten akzeptieren.» Die Gegebenheiten, das heisst in Mayers Fall: eine inkomplette Querschnittlähmung. Mayer kann zwar einigermassen gut an Krücken gehen, meist sitzt er aber im Rollstuhl. Auf die Hilfsmittel angewiesen ist er seit dem 1. April 2000 – an diesem Tag veränderte sich sein Leben. «Schlagartig und für immer», sagt er selber.

Bis zum 1. April 2000 war Mayer ein talentierter Snowboarder; er besuchte die Sportklasse des Hochalpinen Instituts in Ftan. Dass er einst Snowboard-Profi hatte werden wollen, habe er schon mit neun Jahren während der Ferien in Davos gemerkt, wo er an der Halfpipe die damaligen Grössen der Szene bewundert habe. Die Karriere habe sich gut angelassen – bis zu jenem fatalen Sprung an einem Boardercross-Rennen, wo er auf den Rücken stürzte.

Der lange Weg zurück ins Leben

Nach dem Sturz wurde Mayer sofort nach Innsbruck geflogen und dort operiert. Einen ersten Lichtblick habe es bereits in den ersten Tagen gegeben. «Ich konnte einen Muskel am Oberschenkel bewegen, also hat man die Platten in meinem Rücken durch kleinere Exemplare ersetzt.» Auf die Operationen folgte ein Spitalaufenthalt in seiner deutschen Heimatstadt Tübingen – und der lange Weg zurück ins Leben. Mayer studierte Psychologie und Soziologie an der Fernuniversität Hagen und begann wieder Sport zu treiben: bis hin zur Aufnahme in die deutsche Nationalmannschaft der Behindertenathleten. «Wenn ich etwas mache, dann richtig», betont er.

Mayer verschweigt aber auch nicht, dass er durch schwierige Zeiten gegangen ist. Rund ein Jahr vor seinem Unfall war sein ein Jahr älterer Bruder im Alter von 22 Jahren gestorben. «Da kommt man schon ins Grübeln, und im Spitalbett hat man dafür eine Menge Gelegenheit.» Manches an seiner neuen Situation habe er rasch akzeptieren können, anderes verdränge er bewusst, blende es aus. «Wie viele Jahre lang man körperlich beeinträchtig sein wird, darf man sich gar nicht überlegen, das erdrückt einen sonst.»

In Heimarbeit entwickelt

Dass Mayer jetzt unter die Erfinder gegangen ist, hat mit seiner ungebrochenen Liebe zum Schnee zu tun. Schon vor acht Jahren habe er sich überlegt, dass es ein Hilfsmittel geben müsste, welches die Fortbewegung mit dem Rollstuhl im Schnee erleichtere. «Vor vier Jahren habe ich mich darüber geärgert, dass man als Mensch häufig Ideen hat, aber sie nicht umsetzt.» Also fing er, mittlerweile nach Arosa umgezogen, im stillen Kämmerlein an zu zeichnen, zu entwerfen und auszuprobieren.

Danach wandte sich Mayer an die Ipek, ein der Hochschule in Rapperswil angeschlossenes Institut, wo seine Wheelblades weiterentwickelt und seine Vorstellungen umgesetzt wurden. «Mir war es beispielsweise wichtig, dass die Kufen auf alle Räder passen, also verstellbar sind.» Parallel zur technischen Entwicklung liess er seine Ideen patentieren – ein Prozess, der immer noch im Gang ist. Die Kufen selber haben inzwischen Produktionsreife erreicht, werden ab kommendem Herbst für 224 Franken pro Paar erhältlich sein. Das Echo ist gross, die Nachfrage vorhanden. Rund 80 000 Franken hat Mayer investiert. «Wenn das klappt mit dem Verkauf», sagt er, «dann ist das der beste Beweis, dass Krisen nicht nur negative Aspekte haben. Als Boarder wäre ich in meinem Alter ja schon längst weg vom Fenster.» Nein, mit dem Schicksal hadert der Mann wirklich nicht.

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