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«Ein dunkles Kapitel für die ganze Bankenbranche»

Das Ausmass, in dem die UBS in den Libor-Skandal verwickelt ist, überrascht Maurice Pedergnana. Der Wirtschaftsprofessor fordert, dass die Verantwortlichen die Konsequenzen ziehen. Und er stellt die Rolle der Behörden infrage.

Südostschweiz
20.12.12 - 01:00 Uhr

Mit Maurice Pedergnana* sprach Sabrina Dünnenberger

Herr Pedergnana, wie beurteilen Sie die Busse für die UBS – besonders die Höhe von 1,4 Milliarden Franken?

Maurice Pedergnana: In Anbetracht der höchst verwerflichen Vorgehensweise der involvierten Banker ist die Höhe der Strafe angemessen. Vor allem weist die Tatsache, dass die Strafe für die UBS um einiges höher ist als jene von Barclays, darauf hin, dass die Schweizer Bank eine bedeutendere Rolle gespielt hat.

Zu Beginn der Libor-Affäre war die UBS nur eine von mehreren involvierten Banken, jetzt ist sie ins Zentrum gerückt. Sind Sie überrascht?

Das Ausmass als Ganzes ist für mich überraschend. 1100 Anfragen zu Manipulationen wurden alleine bei der UBS dokumentiert, gegen rund 40 Angestellte ergreift die Bank disziplinarische Massnahmen: Das hat Systemcharakter. Und es hat eine andere Dimension als etwa der Fall Adoboli, in dem die Verfehlungen einem einzelnen Händler und seinem unmittelbaren Umfeld zugewiesen werden konnten. Vielmehr ist nicht nur die UBS betroffen, sondern es ist ein dunkles Kapitel für die gesamte Bankenbranche.

Dann muss das aber auch weitreichendere Konsequenzen haben?

Auf jeden Fall. Zudem stelle ich auch die Rolle der Finanzmarktaufsichtsbehörden wie der Fed und der FSA infrage. Diese konnten bis heute die fundierten Vorwürfe noch nicht ausräumen, schon vor Jahren von den Libor-Manipulationen gewusst zu haben. Nur war damals Finanzkrise – und es liegt der Verdacht auf der Hand, dass das Thema bewusst unter den Tisch gewischt wurde. Um der angeschlagenen Branche nicht noch mehr zu schaden und ihr durch das Unterlassen von Untersuchungen eine Verschnaufpause zu verschaffen.

«Nur war damals Finanzkrise»

Mark Branson, heute bei der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht tätig, war im betreffenden Zeitraum Japan-Chef der UBS. Dort liegt das Zentrum der aufgedeckten Manipulationsversuche bei der UBS. Ist es möglich, dass Branson von nichts gewusst hat?

In Japan herrscht eine Geschäftskultur der informellen Wege. Vieles wird ausserhalb der Bürozeiten in Bars diskutiert, und das Streben nach Konsenslösungen ist hoch. Immer wird da auch der Chef involviert. Darum kann ich mir schwer vorstellen, dass der damalige Japan-Chef der UBS völlig aussen vor war. Generell würde ich sagen: Wenn Branson davon nichts gewusst hat, ist es nicht gut. Dann hat er seine Führungsrolle offensichtlich nicht wahrgenommen. Wenn er aber davon auch nur gerüchteweise erfahren und es für sich behalten hat, ist es auch nicht gut.

Auch der Franken-Libor wurde manipuliert. Was heisst das für Schweizer mit Libor-Hypotheken?

Es wird schwierig nachzuweisen sein, inwiefern der einzelne Anleger oder Kreditnehmer betrogen wurde. Sicher wird sich die UBS aber mit Rückstellungen für mögliche Sammelklagen wappnen.

«So ist die Bank nicht führbar»

Hat es die UBS ihren Mitarbeitern in der Vergangenheit zu einfach gemacht zu betrügen?

So wie die UBS organisiert ist, ist die Bank nicht führbar. Wenn ein Händler in London von einem Risk Controller in New York kontrolliert wird, funktioniert das nicht. Solche Grundsätze zur Organisationslehre hat Fredmund Malik schon vor 20 Jahren an der HSG gelehrt. Eine Matrixorganisation ist die schlechteste Organisationsform. Bedenklich ist auch, dass die UBS ihre Risikokontrolle als die weltweit beste lobte. Die Vorfälle zeigen aber, dass die Bank in verschiedensten Verteidigungslinien versagt hat.

Glauben Sie, die UBS wird aus ihren Verfehlungen lernen?

Sie hat keine andere Wahl. Als positives Signal ist zu werten, dass die UBS-Führung unter Sergio Ermotti und Axel Weber am Mittwoch deutlich kommunizierte, unethischem Verhalten der Angestellten mit Nulltoleranz zu begegnen. Die Reaktionen der Märkte zeigen auch, dass die neue UBS-Spitze das Vertrauen geniesst. Der Fall Adoboli, die Fehler beim Facebook-Börsengang und der Libor-Skandal müssen aber ein Wendepunkt sein. Sollte sich in den nächsten ein, zwei Jahren erneut etwas Ähnliches ereignen, würde dies irreparable Schäden für die Bank bedeuten.

* Maurice Pedergnana ist Professor an der Hochschule Luzern und Studienleiter des MAS Asset Management sowie Chefökonom der Zugerberg Finanz.

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