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Ein Brückenbauer, der provoziert

Die Atomdebatte hat einen Politstar hervorgebracht. Der Waadtländer Nationalrat Roger Nordmann gibt der SP ein Ausstiegsgesicht.

Südostschweiz
24.04.11 - 02:00 Uhr

Von Sermîn Faki

Bern. – Er sei eher Langstreckenläufer als Sprinter, sagt der jungenhaft wirkende Mann im Bundeshausrestaurant «Galerie des Alpes». Langstreckenläufer – vielleicht, doch mit einem gewaltigen Talent für Zwischenspurts: Roger Nordmann, 38 Jahre alter SP-Nationalrat aus Lausanne, ist seit dem Störfall im japanischen Atomkraftwerk Fukushima das energiepolitische Gesicht der Sozialdemokraten. Gemeinsam mit dem Baselbieter Eric Nussbaumer und dem Basler Beat Jans bildet der Waadtländer in den immer etwas locker sitzenden Anzügen das Atomausstiegs-Triumvirat der Partei. Das Etikett passt dem Romand sichtlich: «Ja, wir sind gut vernetzt im Parlament», sagt er zufrieden.

Das dürfte noch untertrieben sein. Dass der CO2-Ausstoss für Neuwagen ab 2015 analog zur EU auf 130 Gramm pro 100 Kilometer gesenkt wird, habe Nordmann fast im Alleingang durchgeboxt, heisst es aus dem Umfeld der nationalrätlichen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek). Er habe die Fähigkeit, Allianzen zu bilden, Partner zu suchen und auch den einen oder anderen Kuhhandel zu schliessen. «Macht», sagt Nordmann selbst, «ist dazu da, den Lauf der Dinge zu ändern.» Darauf hat offensichtlich die ganze Familie Lust. Verheiratet ist Nordmann nämlich mit Florence Germond, die im Juli das Amt der Finanzdirektorin in Lausanne übernehmen wird.

Bürgerliche Urek-Mitglieder sind gespalten, wenn sie auf den klar links politisierenden Nordmann angesprochen werden. Einige mögen die Beschreibung als Brückenbauer nicht teilen. Vielmehr beharre Nordmann rechthaberisch auf seinem Standpunkt und werde auch schon mal «aufbrausend». Kommissionspräsident Jacques Bourgeois von der FDP mag diese Pauschalkritik nicht teilen. «Vielleicht kommt er manchmal etwas schulmeisterlich daher, und er ist auch ein harter Verhandlungspartner. Aber Roger Nordmann ist bereit zu Kompromissen.» Nordmanns Parteikollege Nussbaumer bescheinigt ihm einen ausgezeichneten politischen Instinkt, gibt aber zu, dass Nordmann hin und wieder etwas ungeduldig wirke. «Die Gelassenheit des Alters fehlt ihm halt noch», sagt er lachend.

Freude an Provokationen

Doch wie kommt ein Politologe und Ökonom überhaupt zur Energiepolitik? Er habe sich immer sehr für Physik interessiert, sagt Nordmann. Und dann natürlich: «Tschernobyl. Das war eine Zäsur.»

Heute gilt Nordmann als Fachmann für Energiefragen, und sein Wissen ist gefragt. Er ist Präsident des Wirtschaftsverbands Swisssolar. Zudem hat er ein Buch* darüber geschrieben, warum die Schweiz von den fossilen Energien und der Atomenergie loskommen muss. Es ist leicht verständlich – und pointiert bis polemisch. Denn Nordmann scheut die Provokation nicht. So bezeichnet er Befürworter von Atomkraftwerken schon mal als «Atomsowjets». Und er macht eine Allianz zwischen der globalisierten Hochfinanz und isolationistisch geprägten Kreisen um die SVP aus, die der Schweiz eine «Gehirnwäsche» verpasst hätte. Die Freude an der Zuspitzung habe mit seiner Herkunft zu tun: «Ich bin fundamental welsch», sagt er, und im frankofonen Sprachraum werde eben schärfer formuliert. «In der Deutschschweiz ist das verpönt.» Darum müsse man bei aller Liebe zur Provokation auch aufpassen, um den politischen Gegner «nicht zu demotivieren».

«Hobby» heisst Vaterschaftsurlaub

Nordmann nur auf die Energiefragen zu reduzieren, wäre falsch. Auch Finanzpolitik und Verkehrspolitik sind sein Feld. Und er ist ein vehementer EU-Befürworter: «Ich empfinde es als Demokratiedefizit, wenn man sich Regeln unterwirft, ohne an diesen mitzuwirken.» Und dann wäre da noch das «Hobby» Vaterschaftsurlaub. Eine entsprechende Motion hatte es sogar durch den Nationalrat geschafft, scheiterte dann aber im Ständerat.

Mittlerweile ist Nordmann Vollzeitpolitiker. Die Beratungsfirma, wo er Aufträge von Verbänden und Kantonen hatte, besteht bloss noch auf dem Papier. Nicht nur, weil mit dem Wechsel in die Bundespolitik die Zeit knapper geworden ist und er am Wochenende lieber mit den beiden Kindern Jean und Edith bastelt oder sich als Heimwerker betätigt. Sondern auch, weil Politik und Consulting für Nordmann nicht so recht zusammengehen. «Man weiss nie, ob sich ein Verband meldet, weil er Beratung möchte, oder ob er nur deinen politischen Einfluss für sich nutzen will.» Das habe er als problematisch empfunden. Deshalb setzt er sich für komplette Transparenz über die Einkünfte von Politikern ein und würde auch ein Berufsparlament bevorzugen, dessen Mitglieder unabhängig wären. Aber erst mal will Nordmann den Atomausstieg schaffen. Dann wird er sich des nächsten Themas annehmen.

* Roger Nordmanns Buch «Atom- und Erdölfrei in die Zukunft – Konkrete Projekte für die energiepolitische Wende» erscheint am 2. Mai bei Orell Füssli.

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