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Draghi macht das Geld in der Eurozone noch billiger

Die Europäische Zentralbank senkt den Leitzins des Euro auf ein neues Rekordtief. Die mässige Inflation erlaubt es der Notenbank, das Arsenal ihrer Instrumente zur Ankurbelung der Konjunktur derart weitgehend zu nutzen.

Südostschweiz
03.05.13 - 02:00 Uhr

Von Ulrich Glauber

Bratislava. – Der Zentralrat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Finanzmärkte gestern nicht überrascht. Analysten, Händler sowie Anleger hatten den Entscheid mehrheitlich vorausgesehen, den Schlüsselzins für die Versorgung der Geschäftsbanken mit frischem Geld um einen weiteren Viertelprozentpunkt auf 0,5 Prozent zu senken. Die EZB ist damit auf dem Niveau der britischen Zentralbank angelangt, die ihren Leitzins bereits vor einigen Jahren so tief gedrückt hatte. Die Schweizerische Nationalbank hält das Zielband für den 3-Monats-Libor derweil aktuell bei null bis 0,25 Prozent. In den USA und Japan liegt der von deren jeweiligen Notenbanken festgesetzte offizielle Zinssatz noch niedriger – praktisch bei null Prozent.

Draghi will nicht locker lassen

EZB-Präsident Mario Draghi will offenbar auch eine weitere Leitzinssenkung nicht ausschliessen. «Wir sind zum Handeln bereit», sagte er im Anschluss an die Ratssitzung in der slowakischen Hauptstadt Bratislava vor den Medien. Er kündigte zudem an, dass sich die Geschäftsbanken noch mindestens ein Jahr lang unbegrenzt Geld bei der Zentralbank in Frankfurt leihen könnten. Ursprünglich sollte diese Rundumversorgung im Juli auslaufen.

Die neue Senkung des Leitzinses begründete Draghi mit der schlechten Wirtschaftslage und der hohen Arbeitslosigkeit in der Eurozone. Zudem biete die Inflationsrate, die im April bei 1,2 Prozent lag, noch genügend Spielraum für die Politik des billigen Geldes. «Die Zinssenkung soll die Erholung im weiteren Jahresverlauf unterstützen», verbreitete der Italiener Zuversicht. Die Konjunkturrisiken seien zwar immer noch gross, aber «das Exportwachstum in der Eurozone sollte von der Erholung der weltweiten Nachfrage profitieren». Ausserdem habe sich die Lage an den Finanzmärkten seit vergangenem Sommer entspannt, was nach und nach auch die Realwirtschaft stützen dürfte.

Billiges Geld kommt nicht an

Gerade beim letzten Punkt hapert es aber nach Ansicht von Experten. Die Wirkung einer Zinssenkung sei «in den Peripherieländern begrenzt», hatte selbst das deutsche EZB-Präsidiumsmitglied Jörg Asmussen in der vergangenen Woche das Dilemma beschrieben. «Dort würde sie aber am ehesten gebraucht.» Schon seit dem vergangenen Sommer lag der Euro-Leitzins mit 0,75 Prozent auf einem so niedrigen Niveau wie nie zuvor. Mittelständische Unternehmen und Konsumenten, welche die Konjunktur in den Peripherieländern der Eurozone ankurbeln sollten, müssen dennoch hohe Zinsen für Kredite zahlen, wenn sie überhaupt Geld von den Banken bekommen. Grund: Wegen der schwachen Wirtschaft sind die Banken in Ländern wie Spanien, Griechenland und Italien bei der Kreditvergabe äusserst misstrauisch.

Nützen dürfte die Zinssenkung aber in jedem Fall der Exportwirtschaft. Denn tiefe Zinsen sollten den Kurs der Gemeinschaftswährung auf den Devisenmärkten drücken und den Herstellern bei der Ausfuhr ihrer Waren in Länder ausserhalb der Eurozone einen Preisvorteil verschaffen. Allerdings versprechen die neuesten Daten aus den USA und aus China keineswegs eine so kräftige Konjunkturbelebung, wie es sich die europäischen Exporteure gewünscht hätten.

Andererseits ist die Politik des billigen Geldes auch mit Nachteilen verbunden. In Ländern der Eurozone wie Deutschland, in denen der Wirtschaftsmotor noch vergleichsweise rund läuft, können die günstigen Kredite zu Preisblasen führen.

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