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«Diesen Beruf würde ich noch mal wählen»

Senioren sind wandelnde Geschichtsbücher. Sie können viel erzählen. Jeweils dienstags lassen ältere Personen die «Südostschweiz»-Leser an ihrem Leben teilhaben. Heute Werner Treichler (75), Jona.

Südostschweiz
21.10.14 - 02:00 Uhr

«In der Traktorenfabrik Bührer in Hinwil absolvierte ich von 1955 bis 1959 eine Mechanikerlehre. Als dann unsere Mutter 1958 an Krebs verstarb, war das für uns drei Kinder ein schwerer Schlag.

Noch bis zum Ende der Lehrzeit wohnte ich zu Hause in Oberdürnten. In einer Uhrenfirma in Le Locle, wo ich meine Sprachkenntnisse verbesserte, lernte ich meine Frau Leonie kennen.

Wir heirateten 1962 und wurden Eltern von zwei Töchtern.

Schon früh begann ich mich für den Polizeiberuf zu interessieren. Und so bewarb ich mich nach der RS bei der Artillerie, direkt aus der anschliessenden Unteroffiziersschule in Frauenfeld, bei der Kantonspolizei Zürich.

Freundschaften entstanden

1960 trat ich nach bestandener Eignungsprüfung in die Polizeischule der Kapo Zürich ein. Wir waren 28 Polizeiaspiranten und wurden für die einjährige Ausbildung an der Zürcher Zeughausstrasse kaserniert. Logiert wurde in Zweier- und Viererbett-Zimmern. Durch die Kasernierung entstanden tiefe Freundschaften und selbst nach 54 Jahren treffen wir uns noch immer zweimal jährlich.

Wir erhielten eine anforderungsreiche, interessante Grundausbildung in Fächern wie Straf-, Zivil- und Verkehrsrecht und der italienischen Sprache. Die tagsüber in Stenografie aufgenommenen Diktate mussten abends auf Schreibmaschine ins Reine geschrieben werden. Am Ende der Schulzeit wurden dann die vielen A4-Blätter in mehrere Bücher gebunden.

Nach dem Schulabschluss lernte ich im Bereitschaftsdienst während drei Jahren den praktischen Umgang mit Häftlingen, der vor allem im Transport und Vorführen bei Gericht bestand.

Anschliessend amtete ich von 1963 bis 1966 als kriminalpolizeilicher Protokollführer bei einem Bezirksanwalt. Diese Arbeit war wichtig zur Vertiefung des Fachwissens im Strafrecht und der Einvernahmetechnik.

Danach kam ich auf die erste Station in Männedorf. Damals herrschte noch die Wohnsitzpflicht am Dienstort und so zügelte unsere Familie in das Haus des Polizeipostens. Meine engagierte Leonie war Funkschreiberin, Hüterin des Diensttelefons und die gute Seele im Haus.

Suko leistete gute Dienste

Der Dienst erfolgte noch ohne Dienstwagen, Funk und Natel oder Schutzausrüstungen wie kugelsichere Westen. Auch gab es keine telefonische Umschaltmöglichkeit nach Zürich. Bis 1968 waren wir eine Zweimann-, danach eine Dreimannstation. Unterstützung durch Sondereinheiten gab es noch nicht und auch keine psychologischen Schulungen. Eine gute Menschenkenntnis wurde vorausgesetzt.

Nach der Ernennung 1973 zum stellvertretenden Bezirkschef von Meilen wechselten wir den Wohnort erneut. Hier kam als Welpe der Dienst- und Familienhund Suko zu uns.

Er stellte sich fortan in gefährlichen Situationen gegen Gewaltverbrecher. Und er leistete ausserdem sehr gute Dienste bei der Suche nach abgängigen Personen.

Als verlässlicher Diensthund mit einem sehr guten Charakter schaffte er siebenmal die Teilnahme an den Sporthund-Schweizer-Meisterschaften in der Höchstklasse Inter III.

Mitbeteiligt an diesen Erfolgen war auch Leonie, die viel mit ihm trainierte. Sein Krebstod nach elf Jahren war ein grosser Verlust für die ganze Familie.

Wunschstelle angetreten

Nach der Ernennung zum Bezirkschef in Pfäffikon ZH trat ich 1986 mit der Stelle als Bezirkschef Meilen meine eigentliche Wunschstelle an. Seit der Berufung 1990 in das Offizierskorps der Kantonspolizei leitete ich elf Jahre lang die Regionalabteilung See/Oberland.

Verantwortung sowie Belastung nahmen zu und es gab Wochen, mit nicht weniger als zwölf ausserordentlichen Todesfällen.

In meiner Kaderfunktion praktizierte ich stets eine menschenorientierte Führung, und das gute Verhältnis zu den Mitarbeitenden bewies mir, dass ich damit richtig lag.

Sehen Sie, es kommt immer darauf an, wer in der Uniform steckt. Mit Korrektheit und einem anständigen Umgang bin ich stets gut gefahren, manchmal mehr belehrend als gleich verurteilend. Natürlich nur in Bereichen, wo das verantwortbar war.

2001 wurde ich nach über 40 Dienstjahren pensioniert. Und ich denke noch heute gerne daran zurück. Ausgerüstet mit den heutigen Mitteln, würde ich den Beruf auch ein zweites Mal wählen.»

Aufgezeichnet von Gaby Kistler

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