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Die Zweifel am grünen Mäntelchen der SVP

Die SVP warnt neuerdings vor einer Zersiedelung. Derweil schütteln Landschaftsschützer nur den Kopf.

Südostschweiz
08.01.14 - 01:00 Uhr

Von Stefan Schmid, Bundeshaus

Bern. – Im laufenden Abstimmungskampf zur Masseneinwanderungsinitiative hat sich die SVP ein grünes Profil zugelegt. Vertreter der Partei werden nicht Müde, den Zusammenhang zwischen der starken Zuwanderung und der ungebremsten Zersiedelung des Landes zu betonen. «Wir wollen Kulturland, statt Beton», sagt der Nidwaldner Nationalrat Peter Keller dem «Extrablatt», das an alle Schweizer Haushalte verschickt wurde. Und Meisterlandwirt Hansjörg Walter (SVP, Thurgau) ergänzt: «Es wird eng in unserem Land. Pro Sekunde gehen 1,1 Quadratmeter Kulturland verloren.»

Zersiedelung durch Zuwanderung

Die Botschaft der SVP ist klar: Die Zuwanderer sind nicht nur an höheren Mieten, verstopften Zügen und Staus auf den Strassen, sondern auch an der Zersiedelung des Landes Schuld. Die Reduktion fruchtbarer Ackerflächen müsse im Interesse einer sicheren und gesunden Nahrungsmittelversorgung gestoppt, Heimat und Brauchtum bewahrt werden.

Bürgerliche und linke Landschaftsschützer schütteln ob dieser grünen Rhetorik den Kopf. Der Tenor: Die SVP argumentiere nicht nur in dieser Frage widersprüchlich.

Gegen das Raumplanungsgesetz

In vielen Kantonen ist die SVP bisher nicht als Landschaftsschützerin aufgefallen. Im Kanton Zürich etwa sprach sie sich 2012 gegen die Kulturlandinitiative der Grünen aus, die den Schutz besonders wertvoller Landwirtschaftsflächen verlangte.

Im Kanton Bern sammeln aktuell die Grünen zusammen mit einer Bauernorganisation Unterschriften für ein ähnliches Anliegen – ohne Support der SVP. Der zuständige Berner SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus befürchtet einen «Entwicklungsstillstand» für den Kanton, sollte die Initiative dereinst angenommen werden.

Auf Bundesebene hat sich die SVP sowohl gegen die Zweitwohnungsinitiative als auch gegen das revidierte, griffigere Raumplanungsgesetz ausgesprochen. Für Regula Rytz, Co-Präsidentin der Grünen Partei Schweiz, ist die Sorge der SVP um den Kulturlandverlust im Zusammenhang mit der Zuwanderung daher komplett unglaubwürdig. Die SVP setze sich laufend für neue Strassenprojekte ein. Dabei beanspruche der Verkehr heute schon 30 Prozent der gesamten Siedlungsfläche. Aus grüner Sicht gebe es keinen Grund, die Initiative zu befürworten. Die SVP segle populistisch auf einer Welle von Problemen, die sie selber mitverursacht habe. «Mit der Einführung einer Kontingente-Bürokratie wird kein Quadratmeter Kulturland gerettet», sagt Rytz.

Auch aus der Sicht von Raimund Rodewald von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz hat sich die SVP nie ernsthaft gegen den Kulturlandverlust ins Zeug gelegt. Er teilt aber deren Sorge vor einer ständig wachsenden Bevölkerung: «Wir haben auch keine Freude an einer 11-Millionen-Schweiz.» Doch sei das Thema nur durch die Raumplanung und eine Siedlungsentwicklung nach innen anzugehen. «Da hat die Schweiz in der Vergangenheit mit viel weniger Einwohnern zu stark gesündigt», sagt Rodewald

SVP gegen starre Regeln

Die SVP wehrt sich gegen die Vorwürfe. Um das Engagement zu unterstreichen, verweist sie auf ein Positionspapier zur Raumplanung aus dem Jahr 2012. Darin ist der Kampf gegen den Kulturlandverlust tatsächlich eine Priorität. «Allerdings ist die SVP eine Partei, die für Freiheit einsteht», sagt Silvia Bär, die stellvertretende Generalsekretärin. Für die Raumplanung seien Gemeinden und Kantone und nicht der Bund zuständig. «Für die Problematik der stetigen Überbauung und des Ausverkaufs der Heimat wollen wir eine Regelung bei der masslosen und nicht mehr kontrollierbaren Einwanderung und nicht eine Symptombekämpfung durch starre gesetzliche Auflagen von zentralstaatlicher Seite», sagt Silvia Bär.

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