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Die Schweiz verliert ausländische Chefs

Manager Erstmals seit langem ist der Anteil ausländischer Führungskräfte in Schweizer Firmen rückläufig. Frauen sind in den Verwaltungsräten ?hingegen auf dem Vormarsch.

Südostschweiz
04.03.14 - 01:00 Uhr

«Auf die Unternehmen kommen Probleme bei der Rekrutierung von Führungskräften zu.»

Guido Schilling,?Kadervermittler

Ernst Meier

ernst.meier@zugerzeitung.ch

Sie heissen Paul Bulcke, Severin Schwan oder Brady Dougan. Die CEOs von Nestlé, Roche und der Credit Suisse kommen aus Belgien, Österreich und den USA. Rund 42 Prozent beträgt der Anteil ausländischer Manager, die in den Geschäftsleitungen der 119 grössten Schweizer Unternehmen tätig sind. Längere Zeit sah es so aus, als ob dieser Anteil weiter ansteigt, doch jetzt ist er zum ersten Mal seit neun Jahren gesunken – und zwar um 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Diese Zahlen gehen aus dem gestern veröffentlichten «Schillingreport 2014» hervor. Der Zürcher Kadervermittler Guido Schilling erstellt die Studie seit 2006. Damals lag der Ausländeranteil in Schweizer Geschäftsleitungen noch bei 36 Prozent und stieg dann jährlich um zwischen 1 und 3 Prozent bis auf 45 Prozent an. Seit 2011 verharrte der Anteil an ausländischen Topmanagern auf diesem Niveau, bis er nun zum ersten Mal zurückgeht. Bei den Verwaltungsräten, welche die Studie seit vier Jahren untersucht, blieb der Ausländeranteil mit 36 Prozent immerhin stabil. 2010 lag er bei 35 Prozent.

Folge der Wirtschaftserholung

«Mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative hat dieser Trend nichts zu tun», sagt Guido Schilling, angesprochen auf die Volksabstimmung vom vergangenen 9. Februar. Vielmehr sei der rückläufige Ausländeranteil beim Schweizer Topkader als Folge der wirtschaftlichen Erholung zu begründen. «Die europäische und insbesondere die deutsche Wirtschaft prosperieren stark und bieten den ausländischen Topführungskräften hervorragende Perspektiven im Heimatmarkt», meint Guido Schilling. Vor zwei Jahren rechnete er noch mit einer weiteren Zunahme des Ausländeranteils. «2014 wird die Mehrheit der Geschäftsleitungsmitglieder Ausländer sein», sagte er im Mai 2012 gegenüber unserer Zeitung.

Der Headhunter und Studienverfasser zeigte sich denn auch wegen des deutlichen Rückgangs der ausländischen Führungskräfte überrascht: «Unsere im globalen Wettbewerb stehenden, stark exportlastigen Unternehmen sind auf die besten Manager angewiesen, unabhängig von deren Nationalität.» Schilling bezeichnet das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative als «Knieschuss» und meint: «Auf die Unternehmen kommen Probleme bei der Rekrutierung von Führungskräften zu.» Die Diskussion um die Eingrenzung der Zuwanderung schrecke ausländische Manager und deren Familien von einem Wechsel in die Schweiz ab. «Wir werden heute von ausländischen Firmenvertretern vielfach gefragt, ob sie bei uns überhaupt noch willkommen seien», sagt Schilling.

Deutschland, USA, Grossbritannien

Die fünfzig Seiten umfassende Personalstudie zeigt weiter auf, aus welchen Ländern die ausländischen Führungskräfte derzeit kommen. An der Spitze stehen die Deutschen – jeder dritte Topmanager kommt aus dem nördlichen Nachbarland. In den Geschäftsleitungen beträgt ihr Anteil 32 Prozent, in den Verwaltungsräten 25?Prozent. Der prozentuale Anteil hat sich 2013 nicht verändert; jedoch folgten auf 20 Manager, welche die Schweiz letztes Jahr verliessen, nur deren 18. Am zweitstärksten sind US-Amerikaner in Geschäftsleitung (16 Prozent) und Verwaltungsrat (20 Prozent) vertreten, gefolgt von Franzosen (10/9 Prozent), Briten (8/10 Prozent) und Italienern (6/4 Prozent). Demnach haben vor allem Briten die Schweiz verlassen; ihr Anteil in Geschäftsleitungen ging um 3 Prozent zurück. Als prominentester Vertreter der «Schweiz-müden» sei hier der US-Amerikaner Joe Hogan erwähnt. Er kündigte 2013 seinen Job als CEO von ABB, «um mehr Zeit mit meiner Familie in den USA zu verbringen», wie er damals erklärte.

Frauenanteil dürfte ansteigen

Gemischte Zahlen gibt es zum Frauenanteil in den Führungsgremien. Seit 2006 stieg dieser zwar von 4 auf 6 Prozent, stagnierte jedoch im letzten Jahr. Grund dafür sei, dass Frauen Geschäftsleitungen relativ früh wieder verlassen. Der Durchbruch sei jedoch geschafft, ist Schilling überzeugt. Mit Susanne Ruoff (Post), Jasmin Staiblin (Alpiq) und Suzanna Thoma (BKW) stehen Frauen an der Spitze von drei der ausgewerteten grössten Schweizer Unternehmen. Guido Schilling ist zuversichtlich, dass sich der Frauenanteil in den nächsten zwanzig Jahren deutlich erhöhen wird. «Ich rechne mit einem Anteil von 10?Prozent bis ins Jahr 2020», sagt er. Bis in 20 Jahren sieht er die Quote in Führungspositionen bei 25 bis 30 Prozent. Immer mehr Firmen würden zur Überzeugung kommen, dass ein Unternehmen bessere Resultate erzielt, wenn Frauen in den Führungsgremien vertreten sind. Zudem würden die aktuellen Ausbildungsstatistiken ebenfalls für «Frauen» sprechen. «51 Prozent der Hochschulabsolventen sind heute Frauen. Wir werden künftig aus mehr kompetenten Kandidatinnen für das Top-Management auswählen können», sagt Guido Schilling.

In den Verwaltungsräten ist diese Verschiebung bereits weiter fortgeschritten. In den letzten fünf Jahren ist der Frauenanteil von 10 auf 13 Prozent gestiegen. Mehr als jeder fünfte frei gewordene Sitz in einem Verwaltungsrat wurde in letzter Zeit mit einer Frau besetzt.

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