×

«Die Schule soll nicht zu einem politischen Sachgeschäft verkommen»

Die beiden Schulräte Beatrice Bonetti-Rytz und Walter Wenger setzen sich gegen die Einführung einer Bildungskommission ein. Sie fühlen sich nicht zuletzt von ihrer Präsidentin, Stadträtin Doris Caviezel-Hidber, übergangen.

Südostschweiz
25.01.14 - 01:00 Uhr

Kerstin Hasse

Die Botschaft von Beatrice Bonetti-Rytz und Walter Wenger ist klar. Sie sprechen sich mit einem dezidierten Nein gegen eine Bildungskommission aus. Ein Qualitätsverlust wäre die Folge sagen sie, Know-How würde verloren gehen und vor allem viel Herzblut für die Churer Stadtschulen. Sie wollen sich vor der Abstimmung vom 9. Februar öffentlich gegen die Bildungskommission aussprechen – um klar zu machen, dass das Ja von Schulratspräsidentin Doris Caviezel-Hidber (im BT vom Mittwoch) zur Bildungskommission nicht der Meinung aller Schulräte entspricht. Bonetti-Rytz hat ihre Partei im Rücken, die GLP Chur fasste die Nein-Parole zur Bildungskommission, nicht so Wengers Partei, die BDP. Doch das spielt für den Unternehmer und Lehrer an der Berufsmittelschule der GBC keine Rolle. «Für mich steht mein Engagement für die Schule im Vordergrund. Ich habe meiner Partei auch klar erklärt, dass ich gegen eine Bildungskommission bin», so Wenger.

Vor vollendete Tatsachen gestellt

Begonnen hatte alles mit dem Antrag des FDP-Gemeinderates Dominik Infanger, der einen unabhängigen Schulrat forderte. Dieser hätte eine Entmachtung der Schulratspräsidentin Doris Caviezel-Hidber zur Folge gehabt. «Der Schulrat hätte dieses Modell unterstützt. Der Sinn dahinter wäre eine Stärkung des Schulrates und dessen Unabhängigkeit gewesen», sagt Wenger.

Der Stadtrat gab die Empfehlung, den Antrag abzulehnen und entwarf ein Konzept zum Modell einer Bildungskommission anstelle des heutigen Schulrates. «Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Zeit reichte für den Schulrat nicht mehr aus, Einfluss auf die Botschaft an den Gemeinderat zu nehmen», sagt Bonetti-Rytz. Caviezel-Hidber habe ihnen zwar das Konzept vorgestellt, aber danach sei keine Zeit mehr geblieben, etwas daran zu ändern. «Das hat uns natürlich geärgert», sagt Wenger.

Stadträtin Doris-Cavizel Hidber versteht den Unmut des Schulrates. «Ein solcher Modellwechsel gestaltet sich immer schwierig, das war auch in anderen Kantonen zu beobachten.» Dass der Schulrat nur eine Woche Zeit zur Vernehmlassung hatte, sei richtig. «Ich selbst stand unter grossem Zeitdruck. Das ist bei politischen Geschäften nun mal oft so, daran kann ich nichts ändern.»

Schritt in die Zukunft

Doch auch bei der anschliessenden Konzeptausarbeitung der Vorberatungskommission im Gemeinderat, unter der Leitung der BDP-Gemeinderätin Susanne von Rechenberg, fühlte sich der Schulrat nicht gehört. «Ich habe mich selbst stark engagiert, aber unsere Einwände oder Ideen wurden nicht berücksichtigt», sagt Wenger. Auch hier fühlten sich die Schulräte im Stich gelassen. In der Stellungnahme des Schulrates zuhanden der gemeinderätlichen Vorberatungskommission heisst es: «Die Gedankengänge und die Argumente der Schulratspräsidentin während der letzten Monate sind weder stringent noch strategisch.» Wenger ergänzt: «Doris Caviezel-Hidber hat sich zu Beginn vehement gegen den Auftrag Infanger gewehrt und betont, dass das jetzige Schulratssystem sich bewährt habe. Nun steht sie hinter der Bildungskommission, meiner Meinung nach ist das eine Trotzreak- tion.»

Caviezel-Hidber weist diesen Vorwurf zurück. «Der Auftrag Infanger hat einen Schulrat ohne mich – also ohne eine Vertretung des Stadtrates und dessen Stimmrecht – gefordert. Für den Stadtrat war klar, dass wir dieses Modell nicht unterstützen.» Wenn es schon eine Änderung gebe, dann sollte dies ein Schritt in die Zukunft sein, sagt Caviezel-Hidber. «Deshalb haben wir uns dafür entschieden, das Modell einer Bildungskommission zu prüfen.» Dass ihr mangelnde Kom- munikationsbereitschaft vorgewor- fen wird, versteht Caviezel-Hidber nicht. «Ich habe mich immer bemüht, klar und verständlich zu kommunizieren.»

Verlust von Know-how

Bonetti-Rytz und Wenger befürchten, dass es durch eine vom Gemeinderate gewählte Bildungskommission zu einer Politisierung der Schule kommt. «Das Schulgeschäft wird zu einem Sachgeschäft unter vielen», so Bonetti-Rytz. Die Schulräte würden sich politisch bewusst für die Schule einsetzen. Viele hätten keine weiteren politischen Ambitionen. «Es ist fraglich, ob sich ein Gemeinderat aufstellen lässt, um in erster Linie in der Schulpolitik etwas zu erreichen und ob er über genügend zeitliche Ressourcen verfügt, um die Nähe zur Schule zu gewährleisten», sagt die Juristin und Mutter zweier Kinder. Ein Qualitätsverlust sei die Folge. Sie bezweifelt, dass eine Bildungskommission, welche aus mindestens fünf Gemeinderäten und zwei Fachpersonen besteht, mit dem gleichen Engagement für die Schule eintritt wie der heutige, vom Volk gewählte, Schulrat. «Wir haben einige Lehrpersonen im Schulrat und auch Leute, die sich in irgendeiner Art mit Schulbildung und Erziehung auseinandersetzen – es würde grosses Know-how verloren gehen», sagt Wenger.

Über alle finanziellen Aspekte der Schule entscheidet im Rahmen des Budgets bereits heute der Gemeinderat. Dass die Gremien getrennt sind, erachtet Wenger als wichtig. «Ich befürchte jedoch, dass die Gemeinderäte mit den Rotstiften durch die Schulhäuser ziehen, wenn es keinen externen Schulrat mehr gibt.»

Ineffiziente Arbeit

Caviezel-Hidber sieht keine qualitativen Nachteile in einer Bildungskommission. «Auch die Schulräte sind nicht alle voll in der Thematik drin, wenn sie ihr Amt antreten.» Auch sie müssten sich einlesen und einarbeiten. «Das Gleiche würden auch die Gemeinderäte tun – sicher auch mit dem gleichen Engagement.» Dass die Schule politisiert werde, sei kein Argument, weil das bereits jetzt der Fall sei. «Entscheide über das Schulwesen sind immer auch politische Entscheide.»

Heute sei die Zusammenarbeit zwischen Gemeinderat und Schulrat zudem ineffizient, sagt Caviezel-Hidber. «Wir arbeiten ein Jahr im Schulrat an einem Geschäft, um es dann dem Gemeinderat vorzulegen. Dieser nimmt es in etlichen Stunden dann wieder komplett auseinander.» Dieses Problem würde mit einer Bildungskommission nicht mehr bestehen. Die Befürchtung einiger Schulräte, die zeitliche Belastung für die Gemeinderäte sei zu gross, teilt Caviezel-Hidber nicht. «Durch die Reorganisation sind zukünftig die operativen und strategischen Geschäfte getrennt. Die Arbeitszeit wird sich um einen Grossteil reduzieren.»

Einsatz für die Schule

Caviezel-Hidber hofft, dass es auch nach dem Abstimmungsentscheid weiterhin möglich sei, sachorientiert zu politisieren. «Wir haben schliesslich alle das gleiche Anliegen: Wir wollen uns für die Schule einsetzen.» Dieser Meinung sind auch die beiden Schulräte. «Bloss ist für uns genau dieser Einsatz das beste Argument gegen eine Bildungskommission», sagt Bonetti-Rytz.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR