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Die Regierung tut sich schwer

Was ist eine Entschuldigung wert? Im Falle von ehemaligen Verdingkindern und anderen Opfern der äusserst brutalen fürsorgerischen Massnahmen ist sie fundamental.

Südostschweiz
23.10.13 - 02:00 Uhr

Was ist eine Entschuldigung wert? Im Falle von ehemaligen Verdingkindern und anderen Opfern der äusserst brutalen fürsorgerischen Massnahmen ist sie fundamental. Betroffene leiden ein Leben lang unter der Willkür und der Gewalt, der sie zum Opfer gefallen sind. Wie in aller Welt soll man verarbeiten, dass man zwangssterilisiert wurde? Oder dass man auf einem Markt von seinen Eltern verschachert wurde? Rund 10 000 Verdingkinder leben heute noch. Eine Entschuldigung – und dafür ist nicht bloss der Bund oder die Pro Juventute verantwortlich – ist nicht nur Wiedergutmachung, sondern auch Teil der Basis, einfach ein normales Leben führen zu können.

Die Bündner Regierung aber tut sich weiterhin schwer mit der Vergangenheitsbewältigung. Auch gestern im Grossen Rat gab es auf wiederholte Anfrage von SP-Grossrat Mathis Trepp keine Entschuldigung expressis verbis. Zwar hat sich die Bündner Regierung der Entschuldigung eines jurassischen Regierungsrates, der sich für alle Kantone entschuldigte, angeschlossen. Aber selbst kam Regierungsrat Hansjörg Trachsel das Wort nicht über die Lippen. Die Regierung äusserte stattdessen ihr Bedauern über das Geschehene, wälzte die Verantwortung aber auf Gemeinden und Bund ab. CVP-Grossrat Vincent Augustin nannte die Antwort der Regierung «mager». Im Grunde aber ist es schäbig.

Der Bund arbeitet das dunkle Kapitel nun am «runden Tisch sorgfältig und gründlich auf. Allein darauf sollten sich die Bündner Behörden nicht abstützen – Betroffene aus Graubünden sind an diesem Tisch nicht vertreten. Wir haben eine eigene Geschichte, und die soll Eingang in die Geschichtsbücher und in unser historisches Bewusstsein finden. Die Regierung hätte gestern dafür ein starkes Zeichen setzen können. Auch wenn die direkte Entschuldigung Entschädigungsforderungen auslösen würde. Das sollte es uns wert sein.

lbieler@buendnertagblatt.ch

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