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Die Nato geht – das Risiko kommt

Feind besiegt, Mission erfüllt? Es überrascht, wie schnell die Nato mit dem Segen des UNO-Sicherheitsrates ihren Einsatz in Libyen beendet hat. Die Nato-Jets sind abgezogen – nur elf Tage nach dem Tod des Ex-Diktators Muammar el Gaddafi und dem Zusammenbruch des militärischen Widerstands.

Südostschweiz
01.11.11 - 01:00 Uhr

Von Ralpf Schulze

Ein überstürzt wirkendes Ende einer eigentlich erfolgreichen militärischen Mission, die offiziell den Auftrag hatte, die Zivilbevölkerung gegen Gaddafis Angriffe zu schützen. Und stillschweigend zugleich das Ziel verfolgte, Gaddafis Terror- Regime aus dem Amt zu bomben sowie den Rebellen der Opposition zur Macht zu verhelfen.

Die nächsten Monate werden zeigen, ob der Abbruch des Nato- Einsatzes auf der anderen Seite des Mittelmeers tatsächlich etwas zu plötzlich kam. In einem militarisierten Land vor der Haustür Europas, dessen gespaltene Bevölkerung bis an die Zähne bewaffnet ist. In dessen Wüste Giftgas lagert. Und in dem Tausende schwere Waffen wie etwa Boden-Luft- Raketen spurlos verschwunden und möglicherweise in falsche Hände geraten sind. Wie sonst, wenn nicht aus der Luft, will man die Stabilität in dem Wüstenland garantieren, das mehr als fünfmal grösser ist als Deutschland? Diese Herausforderung jetzt über Nacht allein dem libyschen Übergangsrat zu überlassen, scheint nicht besonders klug. Einer zerstrittenen Rebellenregierung, die ihre Truppen nicht unter Kontrolle hat und der die Menschenrechte wie die innere Sicherheit aus der Hand zu gleiten drohen. Einer Regierung, die noch längere Zeit ohne einen effizienten, rechtsstaatlichen Polizeiapparat auskommen muss.

Nun scheinen sich Befürchtungen zu bestätigen, dass die Nato und der Westen kein schlüssiges Konzept für Libyens Stunde null in der Schublade haben – ein gefährliches Vakuum tut sich auf. Dabei gibt es kaum Zweifel daran, dass die wahre Herausforderung für dieses so rohstoffreiche und für Europa wichtige Nachbarland erst noch kommt. Die Herausforderung, diesem gesellschaftlich zersplitterten und wirtschaftlich zerstörten Staat endlich zu einer demokratischen und friedlichen Zukunft zu verhelfen.

zentralredaktion@suedostschweiz.ch

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