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«Die Leute sagen zuerst Danke»

Am Mittwoch hat für die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft mit dem Kick-off-Tag in Wetzikon die neue Saison begonnen. Nationaltrainer Sean Simpson spricht über die sensationelle WM und deren (positive) Folgen.

Südostschweiz
04.08.13 - 02:00 Uhr

Der Schweizer Eishockey-Nationalcoach Sean Simpson geniesst seinen neuen Stellenwert

Von Sascha Fey

Sean Simpson, mittlerweile sind zweieinhalb Monate seit dem Gewinn der WM-Silbermedaille vergangen. Wie würden Sie mit etwas Abstand in einem Vortrag den Leuten den Erfolg der Schweizer erklären?

Sean Simpson: Wir haben in den letzten drei Jahren hervorragende Arbeit geleistet – nicht nur der Staff, sondern auch die Spieler. Wir bauten eine neue Ära auf, spielten verschiedene Systeme, hatten verschiedene Konzepte. Wir brachten viele Spieler ins Nationalteam, wofür wir kritisiert wurden. Dadurch erhielten allerdings viele junge Spieler in den letzten drei Jahren die Chance, auf der internationalen Bühne zu stehen. Diese Spieler waren ein grosser Teil unseres Erfolgs. Die Mischung und der Teamgeist waren sehr gut. An der WM in Stockholm ist endlich alles zusammengekommen, um einen grossen und einmaligen Erfolg zu feiern.

Half im Nachhinein auch die verpatzte WM von 2012?

Alle wussten, dass es eine wichtige WM war nach dem elften Rang im Jahr zuvor. Ich habe seit meinem Amtsantritt schon immer gesagt, dass es an einer WM schnell geht, und zwar in beide Richtungen. Es gibt in jedem Jahr eine Mannschaft, die sehr heiss ist, bei der alles läuft. Wir haben eine grosse Begeisterung in der ganzen Schweiz ausgelöst. Es hat Leute gegeben, die normalerweise nicht Eishockey schauen, die unsere Mannschaft verfolgt haben. Dies war nicht nur auf unseren Erfolg zurückzuführen, sondern hatte auch mit der Art und Weise zu tun, wie wir spielten. Wir kämpften, die Einstellung stimmte, und wir hatten gegen alle Mannschaften eine gewisse Frechheit. Wir respektierten jeden Gegner, und es funktionierte.

Hand aufs Herz: Hatten Sie vor dem Turnier einen solchen Erfolg für möglich gehalten?

Als Profitrainer und Spieler bist du immer sehr optimistisch, glaubst du daran, dass alles gut läuft. Wir wussten, dass wir um die Medaillen spielen können. An gewissen Tagen können wir einen «Grossen» bezwingen. Wir nahmen jedoch wirklich Spiel für Spiel. Wir wussten, dass viel Gutes passieren muss. Realistisch gesehen gibt es neun bis zehn Teams, die eine Medaille holen können. Darum ist es schon speziell, Zweiter zu werden. Schauen Sie mal auf jene Teams, die nicht im Final waren: Kanada, USA, Russland, Tschechien, Finnland... Wir werden uns immer daran erinnern.

Sie wurden vor dem Turnier heftig kritisiert, dem Team wurde nur wenig Kredit gegeben. Ist daher die Befriedigung umso grösser?

Ich habe trotz Kritik wirklich an mein Konzept geglaubt. Von daher bin ich sehr zufrieden, dass es geklappt hat. Ich kenne die Spieler, ich nehme meinen Job jeden Tag ernst. Ich bin ein seriöser Arbeiter. Befriedigung ist aber ein falsches Wort. Ich bin auf dem Boden geblieben.

Werden Sie nun auf der Strasse anders wahrgenommen?

Oh ja. Es ist unglaublich, wie es ist, auch in der Schweiz. Die Leute sagen zuerst danke für die schöne Zeit, die sie erlebt haben. Du hast das Gefühl, etwas Spezielles geschafft zu haben. Im Turnier waren wir in unserer eigenen Welt. Wir wussten, dass wir dank unserem Erfolg eine Begeisterung auslösen können. Aber wir konnten sicher nicht erwarten, was wirklich geschehen ist. Im Sommer war ich in Kanada. Überall waren die Leute begeistert. Wir haben über die Grenzen hinaus viele Leute beeindruckt.

Gab es eine Reaktion, die Sie besonders gefreut hat?

Nein, nicht wirklich. Es geht von oben nach unten. Beispielsweise waren wir bei Sportminister Ueli Maurer. Es war sensationell, eine grosse Ehre. Diese Einladung war eine tolle Erfahrung, die niemand so schnell vergessen wird. Er war ein grosser Unterstützer von uns. Es war ein sehr schönes Gefühl für die ganze Mannschaft, dass er in Stockholm live dabei war.

Denken Sie, dass die Silbermedaille hilft, künftig mit einem anderen Selbstverständnis in ein grosses Turnier zu steigen?

Ich hoffe es. Wir müssen mit einem sehr grossen Selbstvertrauen ins nächste Turnier gehen. Aber mit diesem Erfolg kommt auch eine gewisse Erwartung. Wir müssen wirklich bereit und reif sein für den nächsten Schritt. Wir können nun sicher nicht in jedem Jahr mit einer Medaille rechnen. Wir versuchen alles, das ist klar. Unser Ziel muss sein, immer die Viertelfinals zu schaffen. Diese zu erreichen ist mit dem neuen Modus das Schwierigste, das habe ich immer gesagt. Wenn du im Viertelfinal stehst, bist du nur noch einen Sieg davon entfernt, um die Medaillen zu spielen. Alle müssen nun fokussiert bleiben und nicht überheblich sein, auch die Medien und die Fans. Wir sind nun die Gejagten, die anderen Nationen denken nun anders über uns.

Wie präsent sind bereits die Olympischen Spielen im kommenden Februar in Sotschi?

In meinem Job muss ich an die ganze Saison denken, nicht nur an ein Turnier. Es gibt auch noch die WM in Minsk und vorher den Deutschland Cup und das Heimturnier in Arosa. Zwei grosse Turniere innerhalb von drei Monaten zu spielen, das ist viel. Klar wollen alle nach Sotschi gehen. Aber die Spieler müssen in jedem Turnier bereit sein, zu uns zu kommen.

In Sotschi könnten bis zu zehn Spieler aus der NHL dabei sein. Dies zeigt, welche Entwicklung das Schweizer Eishockey in den letzten Jahren durchgemacht hat.

Ich sage es immer: Es sieht gut aus. Wir haben viele NHL-Spieler und solche, die versuchen, dereinst dort zu spielen. Wir haben zu Hause eine starke Liga. Und die Nationalmannschaft hat nun etwas gewonnen. Wir müssen nun aber fokussiert und konzentriert bleiben, um noch besser zu werden. Wir müssen die Füsse auf dem Boden behalten und weitergehen.

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