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«Die kleine Hexe» und Co. trauern um ihren Schöpfer

Generationen von Kindern haben seine Bücher verschlungen: Otfried Preussler, der Schöpfer von Klassikern wie «Der Räuber Hotzenplotz» und «Die kleine Hexe», ist tot. Der deutsche Schriftsteller starb am Montag im Alter von 89 Jahren.

Südostschweiz
21.02.13 - 01:00 Uhr

Von Andrea Barthélémy (sda)

Prien am Chiemsee. – Er war der Herr der Raben, Hexen und Räuber. Er schrieb 32 Bücher, die in 55 Sprachen übersetzt und weltweit mehr als 50 Millionen Mal verkauft wurden. Für sein literarisches Schaffen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Auch seine Bühnenstücke zählen zu den meistgespielten Werken des zeitgenössischen Kindertheaters.

Erst vor Kurzem erschien seine letzte Veröffentlichung: «Der kleine Wassermann – Sommerfest im Mühlenweiher», im Oktober wäre er 90 Jahre alt geworden. Doch am Montagabend verstarb Otfried Preussler in Prien am Chiemsee. Das teilte der Thienemann-Verlag in Stuttgart gestern mit.

Mit Geschichten aufgewachsen

Preusslers lauschte und las, erzählte und schrieb sein Leben lang Geschichten. Am 20. Oktober 1923 im böhmischen Reichenberg in eine Lehrerfamilie hineingeboren, wuchs er mit einem Vater auf, der als leidenschaftlicher Heimatforscher die Sagen des Isergebirges sammelte. Und seine Grossmutter fütterte ihn unermüdlich mit Geschichten. «Das Geschichtenbuch meiner Grossmutter, das es in Wirklichkeit überhaupt nicht gegeben hat, ist das wichtigste aller Bücher für mich, mit denen ich je im Leben Bekanntschaft gemacht habe», bekannte Preussler einmal.

Schon mit zwölf Jahren schrieb er selbst erste Geschichten und träumte davon, als Schriftsteller in Prag zu leben. Doch der Zweite Weltkrieg durchkreuzte alle Pläne: Nach dem Abitur 1942 wurde Preussler ins Militär einberufen und landete nach fünf Jahren russischer Gefangenschaft 1949 im oberbayerischen Rosenheim, wo er seine Familie und seine Verlobte wiederfand.

Von der kleinen Tochter inspiriert

Um sich eine Existenz aufzubauen, fing Preussler noch während des Lehrerstudiums mit dem Schreiben an – zunächst als radelnder Lokalreporter, dann als Autor für das Kinderradio. Sein erster grosser Erfolg gelang Preussler 1956 mit dem versponnen-lustigen «Kleinen Wassermann». Und als eine seiner drei in den Fünfzigerjahren geborenen Töchter aus Angst vor bösen Hexen nicht einschlafen konnte, erfand er ein Jahr darauf kurzerhand «Die kleine Hexe», die mithilfe des redseligen Raben Abraxas alles tut, eine gute Hexe zu werden.

1962 rief Otfried Preussler den herrlich unverschämten Räuber Hotzenplotz ins Leben, der in mehreren Büchern dem tumben Wachtmeister Dimpflmoser das Leben schwer macht. Nach dem «Kleinen Gespenst» 1966 präsentierte Preussler 1971 seinen ersten Jugendroman «Krabat». Das Buch über den Kampf um Freiheit, das Ringen um Macht, Magie und Liebe wurde ein Welterfolg, in 31 Sprachen übersetzt und mit diversen Preisen ausgezeichnet. Aber auch zahlreiche Bilderbücher («Die dumme Augustine»), Weihnachtsgeschichten («Der Engel mit der Pudelmütze») und immer wieder sagenhaft angehauchte Werke entstanden im Laufe der Jahre, von den «Abenteuern des starken Wanja» über Rübezahl-Geschichten hin zu einer dicken Balladen-Sammlung.

Eigen ist allen Werken eine kraftvolle, etwas altertümliche Sprache. Besonders eindringlich ging diese unter die Haut, wenn Preussler seine Geschichten – wie in zahlreichen Hörspielen geschehen – selbst vortrug.

Hochachtung vor Kindern

Jeden neuen Text stellte Preussler zuerst vor Kindern auf den Prüfstand. «Kinder sind das beste und klügste Publikum, das man sich als Geschichtenerzähler nur wünschen kann», sagte er dazu. «Und sie sind strenge, unbestechliche Kritiker.»

In den letzten Jahren war es ruhig geworden um Preussler. Er lebte zurückgezogen am malerischen Chiemsee in Oberbayern. An der aktuellen Debatte in Deutschland, ob man Begriffe wie «Negerlein» aus Kinderbüchern tilgen sollte, beteiligte er sich nicht mehr.

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