×

Die Hoffnung der FDP-Frauen und der Ostschweiz

Die FDP-Frauen fordern eine FDP-Bundesrätin. Als aussichtsreichste Anwärterin galt lange Zeit Karin Keller-Sutter. Nun ist die St. Gallerin in Rückstand geraten.

Südostschweiz
10.08.10 - 02:00 Uhr

Von Karen Schärer

Bern. – Für die FDP-Frauen ist klar: Nun ist ihre Stunde gekommen. «Seit dem Rücktritt von Elisabeth Kopp vor 22 Jahren hatte die FDP keine Frau im Bundesrat: Wir haben klaren Anspruch auf den Sitz», sagt Irene Thalmann, interimistische Präsidentin der FDP-Frauen und Schwyzer Kantonsrätin. Schon als es vergangenes Jahr um die Neubesetzung des Sitzes von Pascal Couchepin ging, meldeten sich die freisinnigen Frauen zu Wort und forderten ein «Ticket mixte»: Die FDP sollte je eine Frau und einen Mann zur Wahl vorschlagen. Nominiert wurden schliesslich zwei Männer. Fühlt man sich da noch ernst genommen? «Ja, durchaus», sagt Thalmann. «Am Schluss entscheidet die Fraktion, wen sie nominieren will. Das akzeptieren wir.»

Keller-Sutter in der Defensive

Bei der Besetzung des Couchepin-Sitzes hätten sich die Frauen «relativ ruhig gehalten», sagt Thalmann. «Nun sind die Vorzeichen anders und wir fordern mit Vehemenz eine Frau.» Als aussichtsreichste Anwärterin für das Amt galt lange Karin Keller-Sutter. Die St. Galler Justiz- und Polizeidirektorin ist seit dem Rücktritt von Kaspar Villiger 2003 als Bundesratsanwärterin im Gespräch. In den vergangenen Jahren schien schon ausgemacht, dass sie dereinst den Sitz von Hans-Rudolf Merz erben und damit in der Ostschweiz halten würde.Spätestens seit diesem Wochenende ist Keller-Sutters Favoritenrolle aber ins Wanken geraten: Es wirkt so, als hätte der 58-jährige Johann Schneider-Ammann die 46-Jährige überrundet. Aus ihren Ferien in der Romandie zurück, liess Keller-Sutter gestern gegenüber der «Tagesschau» verlauten, auch sie sei von Fulvio Pelli persönlich angefragt worden – genau wie Schneider-Ammann.Keller-Sutter in der Defensive? Das passt gar nicht zur St. Gallerin. In Sicherheitsfragen gilt ihr Einfluss als immens: Seit sie 2004 anlässlich von Christoph Blochers 100-Tage-im-Bundesrat-Bilanz an der Seite des Justizministers auftrat, galt sie als «Einflüsterin Blochers». Zahlreiche Verschärfungen im Asylbereich gehen auf ihre Vorschläge zurück. Jüngst profilierte sie sich im Kampf gegen Hooligans, als sie in St. Galler Stadien Schnellrichter einsetzen liess. Doch just an diesem Profil wird nun Kritik in den eigenen Reihen laut: Anonym lassen sich FDP-Parlamentarier zitieren, sie sei von Sicherheitsfragen besessen, man wisse nichts über ihre Positionen in anderen Sachfragen.

Talentierte Kommunikatorin

Unterstützer von Keller-Sutter heben gerne hervor, dass diese eine Pionierrolle im Kampf gegen häusliche Gewalt spielte: St. Gallen setzte als erster Kanton ein Gesetz in Kraft, das ermöglicht, Gewalttäter aus dem gemeinsamen Zuhause zu verbannen. Barbara Gysi, SP-Fraktionspräsidentin im Kantonsparlament, wies aber gegenüber «Le Nouvelliste» darauf hin, dass Keller-Sutter die Lorbeeren für das Projekt eingefahren habe, das seit Langem von Feministinnen vorbereitet worden war.Unbestritten ist, dass Keller-Sutter eine brillante Kommunikatorin ist. Für die FDP stand sie auch schon mehrfach in der «Arena». Wenn FDP-Nationalrat Otto Ineichen seinen Favoriten Schneider-Ammann als «Brückenbauer» und «Vermittler mit breitem Wissen» anpreist, sagt das zugleich etwas darüber aus, was manche Keller-Sutter nicht zutrauen.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR