×

Die Hochbegabte mit dem grossen Kämpferherzen

Tina Weirather ist zurück. Die Liechtensteinerin gibt im Riesenslalom in Sölden heute nach dem fatalen Sturz bei den Olympischen Spielen in Sotschi ihr Comeback.

Südostschweiz
25.10.14 - 02:00 Uhr

Von David Bernold

Ski alpin. – Endlich darf Tina Weirather wieder Skirennfahrerin sein. Erneut hat sie sich zurückgekämpft nach einem verletzungsbedingten Rückschlag, erneut nimmt sie Anlauf, um in den Kreis der Besten zurückzukehren – in jene Liga, der sie vor ihrem folgenschweren Trainingssturz für die Olympia-Abfahrt angehört hat. Zehn Monate sind vergangen seit jenem Sonntag, an dem sich die Hoffnung auf den Gewinn von Medaillen auf bitterste Weise innert Sekundenbruchteilen in Luft aufgelöst hatte.

Abrupt war ein Winter zu Ende gegangen, in dem Tina Weirather bis dahin eine der prägendsten Figuren in der Weltcup-Szene war. Zwei Siege, fünf zweite und zwei dritte Ränge hatte sie damals in ihrer saisonalen Bilanz stehen und sich selbstredend in einer starken Position im Kampf um die grosse Kristallkugel befunden. In Abfahrt, Super-G und Riesenslalom hatte sie sich Chancen auf olympisches Edelmetall ausrechnen dürfen - drei Möglichkeiten wären es gewesen, um auch beim wichtigsten Rendez-vous auf den Spuren ihrer Mutter zu wandeln. Hanni Wenzel hatte 1980 in Lake Placid Gold im Riesenslalom und Slalom sowie Silber in der Abfahrt gewonnen.

«Härtester Schlag meiner Karriere»

Die Knochenprellung am Schienbeinkopf des rechten Beins machte alles zunichte. «Das war der härteste Schlag meiner Karriere», blickt Tina Weirather auf die schwierige Zeit zurück. Ein weiteres Mal wurde sie eingebremst, wiederum hatten ihr Olympische Spiele kein Glück gebracht. Als 16-Jährige war sie 2006 in der Abfahrt in San Sicario gestürzt und hatte sich eine Innenbandzerrung am rechten Knie und eine Kapselverletzung am rechten Daumen zugezogen. Vier Jahre später konnte sie erst gar nicht nach Vancouver reisen. Drei Wochen vor Beginn der Spiele im Westen Kanadas hatte sie in der Abfahrt in Cortina d'Ampezzo einen Kreuzbandriss erlitten. Es war die vierte Havarie dieser Art innerhalb von knapp drei Jahren.

Der Pechvogel stand immer wieder auf. Aufgeben war nie ein Thema für die Hochbegabte mit dem grossen Kämpferherz. Das immense Talent sollte nicht dem Verletzungspech zum Opfer fallen. Der Glaube daran, dass im Leben irgendwann alles zurückkommt, dass sich Gutes und Schlechtes die Waage halten, liess nie Gedanken an das Ende der Karriere aufkommen. «Die Frage, weshalb es immer wieder dich selber trifft, stellen sich nur Verlierer», sagt sie. Tina Weirather will wieder eine Gewinnerin sein. Die Folgen des neuesten Malheurs hielten zwar länger an als erhofft. «Das Ganze war vorerst eine hartnäckige Angelegenheit», erzählt die 25-Jährige.

Rückkehr ohne Schmerzen

Tina Weirather gibt zu, den Vorfall auf der Olympia-Piste in Rosa Chutor und dessen Folgen noch nicht restlos verdaut zu haben. «Das Einzige, was ich tun kann, ist gute Resultate abliefern.» Dafür scheint die Basis wieder gelegt zu sein. «Mir geht es gut. Ich habe den ganzen Sommer über sehr gut trainieren können. Von der Verletzung spüre ich nichts mehr.» Heute soll in Sölden der erste Beweis folgen. «Ich mag diesen Riesenslalom», sagt sie. Sie spricht von der Herausforderung, die die Piste auf rund 3000 Metern über Meer an die Fahrerinnen und Fahrer stellt, von der Besonderheit im mentalen Bereich, die der erste Vergleich mit der Konkurrenz mit sich bringt. «Hier ist es besonders schwierig, die Konzentration zu finden.» Die Gefahr der Ablenkung lauere überall. «Die vielen Fans. Die Medien. Alle wollen etwas von dir.»

Tina Weirather nennt den Prolog «einen Sprung ins kalte Wasser. Wenns läuft in Sölden, gibt das Schub für den weiteren Verlauf der Saison.» Diese Erfahrung hat sie vor einem Jahr machen dürfen. Rang 5 war ihre erste Top-Ten-Klassierung in einem Weltcup-Riesenslalom und die Initialzündung zu einem beeindruckenden Steigerungslauf gewesen. Der stete Aufstieg führte einen guten Monat später in Beaver Creek zu Platz 3 und weitere drei Wochen danach zum ersten Weltcup-Sieg in dieser Disziplin. Ein ähnliches Szenario wünscht sich Tina Weirather auch diesmal.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR