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Die gezielte Demontage des «Bankers der Armen»

Friedensnobelpreisträger Muhammed Yunus kämpft um sein Lebenswerk. Die eigene Regierung will den sanften «Banker der Armen» ausbooten.

Südostschweiz
04.03.11 - 01:00 Uhr

Von Christine Möllhoff

Dhaka. – «Armut gehört nicht in eine zivilisierte Gesellschaft. Sie gehört ins Museum», hat Mohammed Yunus einmal gesagt. Vier Jahrzehnte hat der «Vater der Mikrokredite», der stets still zu lächeln schien, für dieses Ziel gekämpft. Seine Idee, Minikredite an Arme zu vergeben, damit sie sich eine Existenz aufbauen können, hat inzwischen weltweit Schule gemacht. Dafür erhielt er 2006 den Friedensnobelpreis, dafür wurde er weltweit gefeiert und in seiner Heimat Bangladesch beinahe als Volksheld verehrt.

Doch nun muss Yunus um sein Lebenswerk kämpfen. Gestern reichte er Klage beim Höchsten Gericht ein – gegen den Rauswurf bei seiner eigenen Bank. Die Regierung hatte ihn am Vortag als Chef der Grameen-Bank gefeuert, die er 1983 gegründet hatte.

Wie ein Hammerschlag

Der 70-Jährige sei zu alt für den Posten, begründete die Zentralbank, die 25 Prozent an Grameen hält, den Schritt offiziell. Yunus muss die Nachricht wie ein Hammerschlag getroffen haben. Immerhin war er 2000 unbefristet zum Direktor von Grameen ernannt worden. Doch überraschend kam der Schlag nicht: Bangladeschs Regierungschefin Sheikh Hasina möchte den unbequemen Ökonomen schon länger loswerden. Er ist für sie zur Gefahr geworden, seit er sich in die Politik einmischt, seit er 2007 vorübergehend eine eigene Partei gründete und seit er die Korruption und Geldgier der politischen Klasse öffentlich anprangert. Millionen Menschen haben bei ihm einen Kredit ausstehend, damit ist er ein Machtfaktor. Hasina fordert nun 60 Prozent der Anteile von Grameen für die Regierung ein. Man kann sich leicht ausmalen, warum. Kleinkredite sind in Südasien ein klassisches Wahlgeschenk, um die Armen zu ködern.

«Blutsauger der Armen»

Schon vor Monaten hatte eine gezielte Schmutzkampagne gegen Yunus begonnen. Damals waren uralte Vorwürfe aufgewärmt worden, er habe norwegische Hilfsgelder veruntreut. Eine Untersuchung der Regierung in Oslo fand zwar keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten, doch Hasina verteufelte den sanften Banker offen als «Blutsauger der Armen». Nun ist auch Yunus gewiss nicht ohne Eitelkeiten. Er genoss es, sich im Rampenlicht zu sonnen, bei den Mächtigen und Grossen dieser Welt einzugehen und als Lichtgestalt dazustehen. Doch einen solch schmachvollen Abschied hat er nicht verdient – und schon gar nicht in einem Land, in dem sich die Mächtigen seit Jahrzehnten schamlos auf Kosten der Armen bereichern.

Startkapital für Arme

Doch Hasina hat die Zeit für Yunus’ Demontage klug gewählt: Weltweit wachsen die Zweifel, ob Kleinkredite wirklich die Wunderwaffe im Kampf gegen die Armut sind – als die Yunus sie anpreist. Dabei klingt die Idee simpel: Seine Bank vergibt Minikredite an Arme. Dieses sollen sie als Startkapital nutzen, um sich eine Existenz aufzubauen – sei es, um Waren für ein kleines Geschäft zu kaufen oder eine Nähmaschine, um als Näherin zu arbeiten. Yunus brach damals damit ein Tabu. Denn die regulären Banken schlagen den Ärmsten der Armen meist die Tür vor der Nase zu.

Inzwischen boomt das Geschäft mit den Kleinkrediten, auch Privatbanken sind auf den Zug aufgesprungen. Ihre Drückerkolonnen treiben oft mit rabiaten Methoden Zinsen ein. Als dann noch Berichte von einer angeblichen Selbstmordwelle in Indien die Runde machten, schlug die Kritik hoch. Yunus muss nun nicht nur mitansehen, wie seine Idee in Verruf gerät. Er muss auch fürchten, dass sein Lebenswerk zerstört wird. Seine Zukunft und die seiner Bank liegen in den Händen der Richter.

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