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Die Balance zwischen Freude und Frust finden

Über Gefühle zu sprechen, ist nicht leicht. Dies merkten auch die Teilnehmer des Vortrages von Margitta Dietermann. Die Elternschule Benken, Kaltbrunn, Rieden lud zu Denk- anstössen im Umgang mit den eigenen Gefühlen ein.

Südostschweiz
25.10.14 - 02:00 Uhr

Von Gabi Corvi

Kaltbrunn. – Referentin Margitta Dietermann nannte am Donnerstagabend in der Aula im Oberstufenzentrum in Kaltbrunn in ihrem Vortrag einige Beispiele für intensive Gefühle: «Der Fussballverein hat gewonnen – überschäumende Freude lässt gestandene Mannsbilder tanzen. Schon wieder nur eine Vier in Mathematik – Junior steht mit hängenden Schultern da; die Enttäuschung ist ihm ins Gesicht geschrieben.»

Gefühle – ein Leben lang

Gefühle über Gefühle, ein Leben lang. Sie würden die Menschen wie ein warmer Sommerregen erfrischen oder überfahren wie ein Schnellzug, erklärte Dietermann.

Aber wieso reagieren die Menschen emotional? Was bringt sie in Rage, wo kriegen sie Gänsehaut? So breit, wie die Gefühlspalette sei, so individuell reagierten Menschen auf innere und äussere Reize.

Gefühl diene dem Lebenserhalt. Es fordere auf, für das Wohlbefinden aktiv zu werden. «Gefühle sind wie Benzin im Motor, sie treiben uns zur Handlung an», so Dietermann.

Menschen fühlten sich als Mangelwesen. Obwohl sie unvorstellbares Potenzial besässen. Ein schönes Beispiel von Margitta Dietermann liess alle im Raum mit dem Kopf nicken: «Nach einem geselligen Abend mit opulentem Nachtessen fragen die Gäste vor dem Verabschieden, ob sie beim Abwasch helfen können. Wir verneinen automatisch lächelnd mit der Antwort ‘Das ist nicht nötig’. Kaum sind die Gäste draussen, beschweren wir uns jedoch, dass zu nachtschlafener Zeit noch der Berg an Geschirr zu erledigen ist.»

Urvertrauen in die eigene Kraft

Einmal mehr hätten die Betroffenen in diesem Fall nicht über ihren Schatten springen und Hilfe annehmen können, erklärte Dietermann dazu. Wollten sie den Gästen nicht zeigen, dass sie der Arbeit nicht gewachsen sind? Dabei wäre es doch so einfach, der Überforderung Einhalt zu gebieten. «Geben wir uns selbst diese Wertschätzung?»

Es geht laut Dietermann um die drei Grundbedürfnisse Wertschätzung, Sicherheit und Zugehörigkeit. «Wenn wir uns in diesen Bedürfnissen angenommen fühlen, stimmt auch unsere Balance. Selten können wir uns jedoch selber auf die Schulter klopfen, im Sinne von ‘Das hast Du jetzt aber gut gemacht’.»

Es beginne schon beim Baby: Der Hunger plage, es fühle sich allein, erlebe Langeweile. Mami und Papi würden nach bestem Wissen und Gewissen seine Welt wieder in Ordnung bringen.

Sie würden Nahrung, Wärme, Sicherheit und Zuneigung geben. Sie lobten die ersten Schritte und Worte. Erst diese «Rückmeldungen» der Eltern würden das Urvertrauen in die eigene Kraft freisetzen.

Welche Gefühle sind erlaubt?

«Du musst doch keine Angst haben.» Ein einfacher Satz, den Mütter ihren Kindern in vielen Situationen mitgeben. Die Gefühle des Kindes werden so aber nicht ernst genommen, sagte Dietermann. Es fühle sich traurig und möchte jetzt eben weinen.

«Nehmen Sie das Kind an. Versuchen Sie es zu verstehen», betonte die Referentin und ergänzte: «Geben Sie ihm eine Hilfe, seine Balance wieder zu finden. Eine einfache Umarmung zum Beispiel befriedigt alle drei Grundbedürfnisse.»

Die Gefühle anderer wahrzunehmen setze voraus, dass man seine eigenen Gefühle kenne und benennen könne. Es sei wichtig, alle Gefühle zu erlauben und Kindern einen klaren Rahmen zu stecken, wie sie ihre Kraft ausüben könnten, ohne andere zu verletzen.

Ein Statement auf einem Merkblatt, das die Anwesenden mit nach Hause nehmen durften, sollte wohl jeder rot anstreichen: «Gefühle sind veränderbar. Wer kann meine Gefühle verändern? Nur ich selbst.»

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