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Der zweite Untergang der antiken Stadt Pompeji

Die antike Stadt Pompeji ist weltweit einmalig. Doch seit Jahren wird das Weltkulturerbe vernachlässigt, verfällt nach und nach. Mit 105 Millionen Euro versuchen Italien und die EU, Pompeji zu retten – aber es gibt Hindernisse.

Südostschweiz
09.09.14 - 02:00 Uhr

Von Miriam Schmidt (sda)

Pompeji. – Langsam drängeln die Touristenmassen durch die holprigen Strassen Pompejis, schiessen Fotos und bewundern staunend die Mauern der antiken Gebäude. Aber ein uneingeschränktes Vergnügen ist die Besichtigung der historischen Ausgrabungsstätte Pompeji in Süditalien nicht: Orangenes Absperrband flattert im Wind, Baugerüste und «Zutritt verboten»-Schilder säumen den Weg.

Laut einem Bericht der Zeitung «La Stampa» ist etwa ein Viertel der einzigartigen Anlage wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen, Dauerbaustellen und Sperrungen sind an der Tagesordnung – die Folgen jahrelanger Vernachlässigung. Dutzende Gebäude der antiken Stadt sind in den vergangenen Jahren eingestürzt. Vor allem Wind, Regen und die mangelnde regelmässige Instandhaltung machen den historischen Bauten zu schaffen. Als «nationale Schande» bezeichnet Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano den sichtbaren Verfall der Unesco-Weltkulturerbestätte.

Vor einigen Jahren wurde deshalb ein Grossprojekt zur Restaurierung Pompejis ins Leben gerufen, insgesamt 105 Millionen Euro haben die EU und Italien für die Rettung zur Verfügung gestellt.

Mafia behindert Restaurierung

Dennoch gehen die dringend notwendigen Arbeiten nur schleppend voran. Erst rund ein Viertel des von der EU zur Verfügung gestellten Geldes wurde abgerufen; Bürokratie, Korruption und Verstrickungen mit der regionalen Mafia, der Camorra, behindern die Restaurierung.

Vor einigen Wochen unterzeichnete Italien immerhin ein neues Abkommen mit der EU, um die Arbeiten zu beschleunigen. Der Fortschritt soll nun regelmässig überprüft, die Ressourcen sollen verdoppelt werden. «Mitarbeiter, Behörden und Regierung müssen das Bewusstsein haben, dass die Herausforderung Pompeji alle angeht», fordert Italiens Kulturminister Dario Franceschini. «Die Herausforderung von Pompeji ist eine nationale Herausforderung.»

Auch das Engagement der EU für den Erhalt Pompejis ist enorm, Regionalkommissar Johannes Hahn bezeichnet die Ausgrabungsstätte als «eine der Kronjuwelen von Europas Kulturerbe». «Es steht viel auf dem Spiel, und wir tun unser Möglichstes, damit das Projekt Pompeji Erfolg hat.»

Zerstörerischer Tourismus

Im Jahr 2013 besuchten mehr als 2,4 Millionen Menschen das 66 Hektar grosse Gelände – auch der Tourismus trägt zur Zerstörung Pompejis bei. Seit 1997 gehört die Stadt zum Unesco-Weltkulturerbe. Die beeindruckenden Überreste gäben ein komplettes und lebendiges Bild der damaligen Gesellschaft, das weltweit ohne Beispiel sei, hiess es zur Begründung. Denn das im Golf von Neapel gelegene Pompeji war im Jahr 79 bei einem Vulkanausbruch verschüttet und unter einer Ascheschicht für Jahrhunderte konserviert worden. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wird das Gelände nach und nach für Besucher zugänglich gemacht.

Trotz des gross angelegten Rettungspakets der EU und Italiens fürchten Kritiker einen zweiten Untergang Pompejis, werfen der Regierung in Rom Schlamperei und zu wenig Engagement vor. «Ich weiss genau, dass die Augen der internationalen Gemeinschaft darauf gerichtet sind, was wir in Pompeji tun», räumt Franceschini ein.

Doch der italienischen Regierung fehlt an vielen Stellen schlicht das nötige Geld, um sich intensiver für den Erhalt dieser antiken Stätte einzusetzen – auch zahlreiche andere Kultureinrichtungen des hoch verschuldeten Landes verfallen zusehends. Dennoch ist der Minister optimistisch: «Dank der guten Teamarbeit bekommen wir die Probleme Pompejis Schritt für Schritt in den Griff», lobte er im August.

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