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Der Wolf schickt die Jäger in Kurzarbeit

Der Wolf bringt die Jäger in Verlegenheit. Weil in der Moderne kein Bündner mehr für sein Überleben auf das Fleisch von Wildtieren angewiesen ist, begründete der Jäger seine Daseinsberechtigung vor allem mit der unbestritten wichtigen Aufgabe der Regulation der Wildbestände.

Südostschweiz
30.10.14 - 01:00 Uhr

Von Stefan Bisculm

Diese Aufgabe erledigten die Jäger gewissermassen in Stellvertretung der lange Zeit abwesenden Grossraubtiere.

Mit der Rückkehr des Wolfs gerät dieses zentrale Argument für die Jagd nun aber ins Wanken. Zwar kann auch rund um den Calanda – wo das schweizweit einzige Wolfsrudel seit einigen Jahren lebt und jagt – nach wie vor nicht auf die Hochjagd verzichtet werden. Doch dürfen die Jäger hier nur noch Kurzarbeit leisten, weil rund um den Calanda in den letzten Jahren selten noch eine Sonderjagd durchgeführt wurde. Die Wölfe erledigen hier, was Grossraubtiere in einem funktionierenden Ökosystem tun: Sie jagen, fressen und helfen den Jägern bei ihrer edelsten Aufgabe, der Anpassung des Wildbestandes auf die Kapazität des Lebensraums.

Nur hatten die Jäger diese Hilfe weder nötig noch hatten sie diese angefordert. Der Wolf verdrängt die Jäger ungebeten. Es ist der Verbandsspitze der Bündner Jäger hoch anzurechnen, dass sie sich in dieser Konkurrenzsituation gegenüber dem Wolf mehrheitlich tolerant verhält. Allerdings hätte es die Jägerschaft auch schwer, gute Argumente gegen den Wolf vorzubringen, ohne dass sie ihr sorgsam gepflegtes Selbstbild in der Öffentlichkeit korrigieren müsste. Das Bild des Naturfreunds, der vor allem Hegemassnahmen umsetzt, müsste unweigerlich dem weniger schmeichelhaften Bild des Trophäen- und Fleischjägers Platz machen.

sbisculm@suedostschweiz.ch

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