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Der Rücktritt von Schavan trifft die Kanzlerin persönlich

Es war ein Abgang mit Ansage: Annette Schavan ist gestern von ihrem Amt als deutsche Bildungsministerin zurückgetreten. Gegen die Aberkennung ihres Doktortitels will sie dennoch klagen.

Südostschweiz
10.02.13 - 01:00 Uhr

Von Fritz Dinkelmann

Berlin. – Am Freitagabend kam Annette Schavan nicht nur von Südafrika nach Berlin zurück, sondern auch von ihrer letzten Dienstreise – davon waren sich alle politischen Beobachter in Deutschland einig. Nachdem die Universität Düsseldorf Schavan ihren Doktortitel aberkannt hatte, hat die deutsche Bildungsministerin ihre Glaubwürdigkeit verloren.

Möglich, dass ihre gute Freundin Angela Merkel die letzten Tage noch eine winzige Hoffnung hegte, dass ein Wunder geschieht – etwas, was die Mechanismen der Politik und der Dynamik der Medien ausser Kraft setzt. Schliesslich gab es bei den meisten Oppositionsparteien eine gewisse Zurückhaltung, was Rücktrittsforderungen betrifft. Schavan war viele Jahre eine über die Parteigrenzen hinweg respektierte Politikerin, die auch wusste, wie sie ihre Autorität einzusetzen hatte. Aber nachdem ihr die Philosophische Fakultät der Universität Düsseldorf systematische Betrügereien bei ihrer Promotion vor mehr als 30 Jahren vorgeworfen und deshalb den Doktortitel aberkannt hatte, gab es für Kanzlerin Merkel keinen Handlungsspielraum mehr.

Würdigende Worte zum Abschied

Am frühen Nachmittag trat Merkel gestern vor die Medien. Der letzte Akt war zu vollziehen, der politische Abschied der «anerkanntesten und profiliertesten» Bildungsministerin, wie Merkel sagte. Schavans insgesamt 17-jähriges Wirken «im Dienste des Bildungsstandorts Deutschland» habe wegweisende Marken hinterlassen. Die Kanzlerin wirkte gefasst, als sie sagte: «Annette Schavan hat mir gestern Abend ihren Rücktritt angeboten. Ich habe das schweren Herzens angenommen.»

Schavan antwortete: «Ich danke dir, liebe Angela, für deine Worte heute und für deine Freundschaft.» Zum Rücktrittsgrund sagte sie nicht mehr als bisher. Zwar werde sie die Entscheidung der Universität Düsseldorf «nicht akzeptieren und klagen», weil sie «weder abgeschrieben noch getäuscht» habe – «die Vorwürfe treffen mich tief». Aber: «Wenn eine Forschungsministerin gegen eine Universität klagt, dann ist das mit Belastungen verbunden» und «das geht nicht, das Amt darf nicht beschädigt werden», sagte Schavan. Dann beugte sie kurz den Kopf und verliess mit der Kanzlerin den Raum.

Rücktritt wird im Volk befürwortet

Mit Schavan verliert Merkel etwas, was im politischen Haifischbecken Berlin überlebenswichtig ist: eine intelligente, absolut loyale Freundin und Wegbegleiterin über viele Jahre. Der Fall Schavan wird in der Bevölkerung kontrovers diskutiert, wobei die klare Mehrheit der Deutschen den Rücktritt der Bildungsministerin befürwortet.

Schavans Nachfolgerin Johanna Wanka soll ihr Amt am Donnerstag übernehmen. Als Professorin für Ingenieurmathematik war sie von 1994 bis 2000 Rektorin an der Hochschule Merseburg. Im Jahr 2000 wurde sie als damals noch parteilose Politikerin im Bundesland Brandenburg zur Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Danach trat sie in die CDU ein und übte ihr politisches Amt bis 2009 aus. Kurze Zeit später wurde Wanka in Niedersachsen Ministerin im gleichen Fachbereich. Bis vor wenigen Wochen die Regierung von Ministerpräsident David McAllister abgelöst wurde. Spekulationen, dass Merkel den gefallenen McAllister in ihr Kabinett berufen würden, erwiesen sich als falsch.

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