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In der neuen Mitte keimen schon erste Streitigkeiten

Die neue Mitte ist sich nicht einig, wie der Bundesratssitz von Eveline Widmer-Schlumpf gerettet werden soll. Grünliberalen-Chef Martin Bäumle erteilt BDP-Präsident Hans Grunder eine Abfuhr.

Südostschweiz
26.10.11 - 02:00 Uhr

Von Lorenz Honegger

Bern. – Zwischen den zwei neuen Mitteparteien BDP und Grünliberalen (GLP) herrschen nur Tage nach ihrem Triumph bei den Parlamentswahlen fundamentale Meinungsdifferenzen, was die künftige Zusammensetzung des Bundesrats anbelangt. BDP-Präsident Hans Grunder möchte die Wiederwahl seiner Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf mit der Bildung einer grossen Allianz zwischen den neuen und den alten Mitteparteien erreichen. Der Gedanke dahinter: Die Allianz könnte Widmer-Schlumpf sowie beide FDP-Bundesräte retten, indem sie die Wahl eines zweiten SVP-Bundesrates verhindert. CVP-Präsident Christophe Darbellay hat Grunder seine Unterstützung signalisiert. Und mit der neuen St. Gal- ler Ständerätin Karin Keller-Sutter schloss erstmals auch eine prominente FDP-Politikerin Widmer-Schlumpfs Wiederwahl nicht mehr aus.

«Möchte mich nicht beteiligen»

GLP-Präsident Martin Bäumle erteilt Grunder jedoch eine offizielle Absage: «An Gesprächen, welche nur dem Machterhalt der Mitteparteien dienen sollen, möchte ich mich nicht beteiligen», sagte Bäumle auf Anfrage. Er sei nicht bereit, der SVP einen zweiten Sitz zu verwehren, nur weil BDP und FDP ihre eigenen Bundesräte «nicht über die Klinge springen lassen wollen».

Die Freisinnigen forderte Bäumle auf, «ihre eigenartige Haltung zur Konkordanz aufzugeben», wonach die drei wählerstärksten Parteien je zwei Sitze und die viertstärkste Partei einen Sitz bekommen. «Es wäre intelligent von der FDP, ihren Anspruch auf den zweiten Sitz aufzugeben.»

Mehrheit zum Atomausstieg geht vor

Die BDP aber forderte Bäumle nicht zum Verzicht auf Widmer-Schlumpfs Sitz auf, obwohl die Partei die Anforderungen für einen Bundesratssitz laut Konkordanzprinzip bei Weitem nicht erfüllt. Das ist aus arithmetischer Sicht inkonsequent, realpolitisch jedoch nur logisch: Die Grünliberalen werden sich hüten, Widmer-Schlumpf abzuwählen, wenn an ihre Stelle ein Bundesrat treten könnte, der den Ausstieg aus der Atomkraft zu Fall bringen will. Ende Mai hatte die Finanzministerin im Bundesrat ihre Stimme für den schrittweisen Atomausstieg geben. Bäumle verhehlte nicht, dass ein Erhalt der Mehrheit für den Atomausstieg «wichtig ist».

Das sieht auch seine Fraktion so, die mit den Wahlen um das Vierfache angewachsen ist. Sechs von der «Südostschweiz» angefragte GLP-Nationalräte äusserten sich sehr positiv über Widmer-Schlumpfs Leistungsausweis. Zwei von ihnen gaben sogar an, dass sie der Bündnerin auf jeden Fall ihre Stimme geben werden, auch wenn der Fraktionsbeschluss anders laute. «Ich war schon vor 20 Jahren für den Atomausstieg. Warum soll ich eine Bundesrätin abwählen, die hilft, aus der Atomkraft auszusteigen?» fragte die St. Gallerin Margrit Kessler. Beim Churer Josias F. Gasser fällt neben der Energiefrage die gemeinsame Herkunft ins Gewicht. «Als Bündner ist es mir wichtig, dass sie im Bundesrat bleibt. Sie macht einen hervorragenden Job», sagte Gasser.

Grunders Vision einer grossen Mitteallianz im Bundesrat gerät mit Bäumles Absage zwar ins Stocken. Noch lässt sich der BDP-Präsident aber nicht unterkriegen: «Ich bin weiterhin dafür, den Status quo im Bundesrat zu erhalten.»

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