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Der Mut des Verzweifelten

Geri Müller ist wahrlich nicht zu beneiden. Ihm sind öffentlich die Hosen heruntergezogen worden, die er bisher nur privat fallen liess. Man kann seine weitgehend virtuelle Beziehung zu einer jüngeren Frau degoutant finden und die nicht jugendfreien Selfies peinlich.

Südostschweiz
03.09.14 - 02:00 Uhr

Von David Sieber

Man kann sich darüber aufhalten, wie so jemand mit Würde in sein Amt zurückkehren kann. Tatsache bleibt aber vorerst: Er hat sich im strafrechtlichen Sinn nichts zuschulden kommen lassen. Er hat sich, soweit bekannt, nicht erpressen lassen. Und er hat, Stand heute, keinen Amtsmissbrauch betrieben.

Geri Müller wurde vielmehr Opfer einer unbedachten oder zumindest verfrühten Medienberichterstattung. Doch auch wenn es den Artikel in der «Schweiz am Sonntag», mit der die «Südostschweiz» kooperiert, nicht gegeben hätte, wäre die Sache früher oder später ans Licht gekommen. Zu viele Redaktionen waren informiert, zu viele Leute mit undurchsichtiger Motivation handelten mit der heissen Ware, welche die Frau feilbot.

Geri Müller ist vor allem eines anzulasten: dass er es so weit hat kommen lassen. Monatelang stand er unter dem Druck, jeden Moment mit einer Veröffentlichung rechnen zu müssen. Warum hat er diesen Schritt nicht selbst getan? Die Deutungshoheit wäre ihm weitgehend geblieben. Verschwörungstheorien wären nie entstanden. Und das Mediengetöse wäre nach kurzer Zeit verstummt. Nur etwas hätte er auch so nicht verhindern können: das Ende seiner Karriere als Stadtammann von Baden spätestens bei den nächs-ten Wahlen. Die von der NZZ geoutete «Porno-Sekretärin» hat ihren Job übrigens gleich verloren.

dsieber@suedostschweiz.ch

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