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Der Frontmann als Topfavorit, auch dank der «Becker-Allianz»

Spieler und Buchmacher sind sich einig: Novak Djokovic ist am heute beginnenden Austra-lian Open der Topfavorit. Die noch einmal gereifte serbische Weltnummer 1 profitiert auch von der anfangs belächelten Allianz mit Coach Boris Becker.

Südostschweiz
19.01.15 - 01:00 Uhr

Von Jörg Allmeroth

Tennis. – Vor ziemlich genau einem Jahr brach das Donnerwetter über die neuen Partner herein. Die Australian Open hatten früher begonnen, es war der 21. Januar, es war der Viertelfinal-Tag, und es war der Tag, an dem Seriensieger Novak Djokovic mit seinem weltberühmten Neutrainer Boris Becker dem späteren Champion Stanislas Wawrinka in fünf erbitterten Sätzen unterlag. Djokovic erinnert sich noch gut daran, wie auf dem Zeitungsboulevard, aber auch in Spielerkreisen über die Dauer der Allianz spekuliert wurde: «Es gab Leute, die meinten, ich würde Boris noch bis zum Frühling entlassen.» Dabei habe er nie Zweifel an seiner Entscheidung gehabt, auch nicht nach dieser Nacht der Enttäuschung in der Rod-Laver-Arena: «Mir war immer klar, dass man eine Zusammenarbeit nicht gleich mit einem Triumph beginnen kann und muss», so Djokovic, «und dass man Zeit braucht, sich zusammenzufinden.»

Vieles hat sich seit den beiden Turnierwochen des Jahres 2014 verändert, das Allermeiste aber zum Besseren für die Hauptbeteiligten dieser ungewöhnlichen Liaison. Djokovic berappelte sich nach dem Stotterstart so nachdrücklich und nachhaltig, dass er sich in Wimbledon zum Titel-Helden aufschwingen konnte, Platz 1 in der Weltrangliste zurückeroberte und am Ende des Jahres auch die Weltmeisterschaft in London gewann.

Beckers Lebenswende

Und beim Mann an seiner Seite, dem alten Helden Becker, verfestigte sich der Eindruck, dass ihm in seiner neuen Trainerrolle noch einmal eine entscheidende Lebenswende gelungen war, dass er im angestammten Tennisrevier wieder Seriosität, Kompetenz und Klasse verkörperte. Becker und Djokovic – das war schliesslich eine Zugewinn-Gemeinschaft, die ziemlich geräuschlos voneinander profitierte, ohne grosses Tamtam, ohne zu viel Brimborium. «Viele neue Einsichten» in den Job als Tennisprofi habe er von Becker bekommen, sagte Djokovic unlängst, als er sich beim Schaukampfturnier in Abu Dhabi befand, «ich bin froh, dass ich ihn in meinem Camp habe.»

«Auf Hartplätzen bärenstark»

Djokovic geht als massiver Favorit in das erste grosse Tennisturnier der Saison – nicht nur bei den Buchmachern, bei denen Zocker für einen Coup des Serben kaum mehr als den Einsatz herauskriegen. Sondern auch bei Beobachtern und Profikollegen. «Novak ist auf Hartplätzen einfach bärenstark. Und er liebt Melbourne, das Turnier, den Schauplatz», sagt TV-Guru John McEnroe, «ich wäre schockiert, wenn ihm noch mal so ein Missgeschick wie letztes Jahr passieren würde.» Auch Maestro Roger Federer hält den Frontmann des Wanderzirkus für den Pokalanwärter Nummer 1, ganz einfach, «weil er auf diesem Belag die stabilsten Leistungen auf höchstem Niveau zeigt». Auf Wawrinka übrigens könnte Djokovic durchaus wieder auf dem Weg ins Finale treffen, allerdings dank des sportlichen Aufstiegs des Eidgenossen nun erst in der Vorschlussrunde. Revanche genommen für das letztjährige Scheitern bei den Australian Open hatte Djokovic allerdings schon kürzlich beim Tourfinale 2014, da besiegte er auf dem Weg zum Gesamtsieg Wawrinka in zwei scho-nunglos dominanten Sätzen mit 6:3 und 6:0.

Meisterliche Souveränität

Djokovics morgiger Erstrundengegner ist der Slowene Aljaz Bedene, der zu Saisonbeginn überraschte und als Qualifikant das Endspiel von Chennai erreichte. Doch auch wenn Djokovic selbst ebenso überraschend in Doha an Aufschlag-Gigant Ivo Karlovic scheiterte und in einem Hagel von Assen unterging, dürfte bei diesem Auftaktmatch nichts schiefgehen – längst hat der 27-Jährige eine meisterliche Souveränität erlangt, genau zu den wenigen absoluten Saisonhöhepunkten topfit und mental bestens vorbereitet an den Start zu gehen. Da befinde er sich inzwischen, so sagt Englands Ex-Star Tim Henman, «auf einer Stufe mit einem wie Federer».

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