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Der den Rock’n’Roll nach Glarus brachte, kehrt zurück

London, Madrid, Istanbul – Peter Müllers Bilder gehen um die Welt. Heute eröffnet er eine Ausstellung im Freulerpalast in Näfels. Dem Ort, den er bereits in den 70er-Jahren auf den Kopf gestellt hat.

Südostschweiz
14.07.12 - 02:00 Uhr
Der den Rock’n’Roll nach Glarus brachte, kehrt zurück

Von Nathaly Tschanz

Näfels. – Ein junger Mann schlendert durch die Gassen – und erntet dabei nicht wenige neugierige Blicke der Dorfbewohner. Mit seinen langen Haaren, seinen Lederhosen und dem Lammfellmantel fällt er auf im Näfels der 1970er-Jahre. «Er war plötzlich da. Aufgetaucht aus dem Nichts. Und mit ihm der Duft der grossen weiten Welt», erinnert sich Fridolin Elmer, ein Freund von damals.

Näfelser Bürger auf dem Papier

Niemand sah so aus wie Pedro. Niemand habe sich so angezogen wie er. «Während wir immer noch die Hitparade am Radio verfolgten, hatte er eine riesige Plattensammlung: Cream, The Doors, Led Zeppelin – er brachte den Rock’n’Roll ins Glarnerland.»

Eigentlich wollte Peter Müller, «Pedro» für seine Freunde, an die Kunstgewerbeschule in Zürich. Doch er war damals zu jung für die Aufnahmeprüfung. Da er sich auch für Architektur interessierte, bot ihm Architekt Othmar Hauser an, bei ihm in Näfels eine Hochbauzeichnerlehre zu machen.

Also packte Pedro, in dessen Pass zwar Näfels als Bürgerort eingetragen ist, der aber seine Kindheit und Jugend in Peru verbracht hatte, seine Koffer. Ohne seine Eltern, damals knapp 16-jährig, steuerte er alleine in ein neues Lebenskapitel. In einem kleinen Dorf im Glarnerland, das er nur von den Erzählungen seines Vaters kannte.

Marina Streiff wohnte damals auch in dem dreistöckigen Haus, das Pedro später zusammen mit Hauser in Glarus mietete. Eine Wohngemeinschaft der wilden 1970er-Jahre, berichtet sie schmunzelnd. «Es war eine wunderschöne, aber auch sehr anstrengende Zeit», meint sie lachend.

Pedro, Sohn aus gutem Hause, brachte internationale Gäste aus aller Welt nach Hause, darunter auch einige Prominente. Zudem war er immer von den schönsten Frauen umgeben – aus Kanada, Holland und wo sie alle herkamen. «Ich habe keine Ahnung, wo er die immer kennenlernte», sagt Streiff und grinst.

Nachbarn und ältere Leute in Glarus hätten das Ganze mit einigem Misstrauen beobachtet. Denn zum Teil ging es wild zu in der WG. Streiff erinnert sich an nächtliches Tischrücken auf dem Estrich oder daran, wie sie einmal nach Hause kam und verzweifelt im ganzen Haus einen von Pedros Gästen suchte. «Ich fand ihn schliesslich in Yogastellung auf einem Kleiderkasten.»

Doch trotz jugendlichem Übermut – Pedro bewies auch Unternehmergeist. So eröffnete er – immer noch während seiner Lehrzeit – im leerstehenden Erdgeschoss seines Wohnhauses kurzerhand eine Boutique namens «La Tienda» («Geschäft» auf Spanisch). Denn er war viel unterwegs und brachte von seinen Reisen Kleider und Schmuck mit. Marina Streiff stellte er als Verkäuferin ein, der Laden wurde zum Szenetreff von Glarus. Bald hatte er es geschafft, die erste Levis-Jeans-Konzession im Glarnerland zu bekommen.

Die wilden 1970er-Jahre

Schon damals fotografierte er leidenschaftlich gerne. Dies führte dazu, dass er im zweiten Stock zusammen mit einem Freund gleich noch ein eigenes Werbestudio mit dem Namen «Strawberry» eröffnete. In diesem erstellte er für verschiedene Firmen Werbedias für Kinowerbung.

Pedro liebte immer das Ausgefallene. «Die meisten von uns hatten noch nicht einmal ein eigenes Motorrad – er kaufte sich ein Mercedes-Sport-Cabriolet. Dabei hatte er noch nicht einmal den Führerschein», erinnert sich Fridolin Elmer schmunzelnd.

Doch von Natur aus sehr grosszügig, liess Pedro seine Freunde (mit Führerschein) an seinem Schmuckstück teilhaben.

Leider endete seine erste eigene Spritztour mit dem Tod des Motors. «Er wollte unbedingt auf den Kerenzerberg. Ich hab ihm gesagt, er solle den Motor schonen und zuerst aufwärmen. Aber Pedro konnte man einfach nicht bremsen», sagt Marina Streiff lächelnd.

Näfels. – Vieles in seinem Leben verdankt Peter «Pedro» Müller glücklichen Zufällen. Nachdem er seine Lehre abgeschlossen hat, will er nach San Francisco, um Cinematographie zu studieren. Die Monate bis zum Studienbeginn will er für Ferien in Spanien nutzen.

Beim Backgammon-Spiel am Strand lernt er den bekannten Fotografen Bert Stern kennen. Müller bleibt in Spanien und arbeitet vier Jahre als dessen Assistent.

Durch Stern lernt er Werbefilmer Eddie Vorkapich kennen. Von 1977 bis 1980 wird er dessen Assistent und zweiter Kameramann. Später übernimmt er dessen Studio. Als Werbe-Fotograf in Europa und Amerika schiesst er Bilder für bedeutende Werbekampagnen. So für Coca-Cola, Smirnoff, Ballantines, Rolex, Credit Suisse. Daneben spezialisiert er sich auf Porträtfotografie, Tanz und seine grosse Leidenschaft: Pferde.

Müllers Werke werden in Magazinen wie «Playboy», «Vogue», «Geo», «Zoom» und anderen publiziert. Der Fotograf gibt mehrere Bildbände heraus, und seine Werke werden in verschiedenen Weltstädten ausgestellt.

Nun ist seine Ausstellung «Pure Blood Reflections» von heute an bis zum 15. September im Freulerpalast in Näfels zu sehen. (tz)

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