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Den «Zahlenmenschen» Killias zieht es ins Bundeshaus

Der Kriminologe Martin Killias kandidiert für die SP Aargau für den Nationalrat. Auch wenn er mit seiner Meinung «Härter bestrafen» das rechte politische Lager bedient.

Südostschweiz
25.02.11 - 01:00 Uhr

Von Christoph Bopp

Bern. – Er ist der mit den Zahlen. «Das erwartet man von mir», sagt Martin Killias, wenn auch nicht der «oberste», sicher aber der bekannteste Kriminologe der Schweiz. Der 62-jährige Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Zürich wird gerne von den Medien zu Rate gezogen, wenn es um Gewalt, besonders diejenige von Ausländern und Jugendlichen – oder wenn sie beides zusammen sind – geht. «Allgemeine Ideen haben können wir alle gut», sagt Killias dazu. Aufgabe der Forschung sei aber, mehr oder weniger handfestes Material für die Beantwortung von «Warum?»-Fragen zu liefern. Und das macht die Wissenschaft. Sie liefert hin und wieder sogar Ergebnisse, die seinen SP-Parteikollegen nicht in den Kram passen. «Ich habe nie ein Blatt vor den Mund genommen.» Das glaubt man ihm. Immerhin hätten manche in der SP jetzt auch ihre Meinung geändert. Politiker dürften ihre Augen nicht verschliessen, auch wenn gewisse Entwicklungen nicht in ihr Weltbild passten.

Für massvollen Denkzettel

Irritierend – für gewisse Politiker – scheint es besonders zu sein, wenn Killias gewisse Meinungen vertritt, die man sonst eher von den Kollegen aus dem rechten Lager hört. «Härter bestrafen», fordern rechtsbürgerliche «Recht und Ordnung»-Politiker ziemlich unisono. Bei Jugendlichen findet das Killias zumindest oft nicht falsch. «Es ist absolut nicht dienlich, wenn Straftäter mehr oder weniger davon ausgehen können, dass sie praktisch garantiert mit einer bedingten Strafe davonkommen.» Das Gesetz würde zwar ein härteres Vorgehen zulassen. Dennoch dürfe man nicht einfach «Kuscheljustiz» schreien. Damit mache man das Problem bei den Richtern fest. Grundsätzlich handle es sich aber um eine seit Jahren verfestigte Rechtsprechung, also eher um einen Systemfehler. Jugendlichen (und erwachsenen) Delinquenten wäre aber mehr geholfen, wenn man ihnen einen massvollen Denkzettel verpassen könnte. «So kommt ihnen nicht einmal recht zu Bewusstsein, wie schlimm das gewesen ist, was sie getan haben.»

«Härter bestrafen» meint für Killias eben nicht einfach nur «wegsperren», und vor allem bedeutet es nicht automatisch eine Lösung für ein gesellschaftliches Problem. «Oft wird mit Gemeinplätzen argumentiert, dass gewisse Werte verloren gegangen seien. Das hilft nicht weiter. Man muss die zunehmende Gewaltbereitschaft an Strukturen festmachen. Erst dann kann es eine politische Diskussion geben, die auch zu intelligenten Lösungen führt», sagt der Kriminologe.

Vom «Trämli» in die SP?

SP-Mitglied wurde Martin Killias, als er ungefähr Mitte 20 war. Als Gymi-Schüler hatte er mit «Trämli fahren» in Zürich angefangen. Die Arbeit als Kondukteur und Billettverkäufer machte ihm Spass. Und dürfte seine politische Einstellung auch geprägt haben. Am 1. Mai machten früher die Trämler immer eine gute Figur. «Die kleinen Ämtli habe ich immer gemacht», Killias ist die «Ochsentour» keineswegs fremd. Trotzdem will er jetzt erst in den Nationalrat? Erst? «Eineinhalb Jahre nach einer eventuellen Wahl würde ich pensioniert. Dann hätte ich erst richtig Zeit für die politische Arbeit.»

Im «Blocher-Dorf» aktiv

Zu Beginn des Gesprächs konnte er ein bisschen Werbung in eigener Sache nicht ganz lassen: «Was ich dem Aargau bieten kann? Vor allem die Verbindung in andere Landesteile. Im Parlament gibt es nicht viele Leute, die so viel herumgekommen sind und so oft und lange in anderen Ländern gearbeitet haben.» Das kann man Killias schwerlich absprechen. «Von Genf bis an die österreichische Grenze» sei ihm politisch nicht viel fremd. In Zürich aufgewachsen, hat er von seinen Bündner Verwandten Romanisch gelernt und mitgeholfen, «im Blocher-Dorf Domat/Ems eine SP-Sektion zu gründen».

Historiker wäre er gerne geworden, aber als Gymnasial-Lehrer, fühlte er, hätte er zu wenig Raum gehabt für seine Freude am Mitgestalten, politisch etwas durchzusetzen. Also beschloss er Anwalt und später vielleicht Richter zu werden. Dann gabs halt eine akademische Karriere. Seiner Leidenschaft für die Geschichte lebt er aber als Mitglied der kantonalen Kommission für Denkmalpflege nach. Und wohnt in einem alten Haus in der Lenzburger Altstadt. Stolz zeigt er dem Besucher einen Dachbalken: «500 Jahre alt» sei das Eichenholz. Mitglied der Kirchenpflege sei er übrigens auch, fügt er hinzu. Und mit dem Finger nach oben weisend: «Ich finde es ganz gut, dass es noch eine Instanz über uns gibt.» Sagt der Jurist.

Bei den Wahlen vom Herbst sollen Prominente den Parteien Schub geben. Mehrere Personen, die auf die politische Ochsentour verzichtet haben, kandidieren für den Nationalrat. So auch der Kriminologe Martin Killias. In einer Serie porträtiert die «Südostschweiz» einige Kandidaten. Bereits zum Zug kamen FMH-Präsident Jacques de Haller (Ausgabe vom Montag) sowie der ehemalige TV-Moderator Matthias Aebischer (Ausgabe vom Mittwoch). (so)

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