×

Den Körperschmuck für die Ewigkeit wieder loswerden

Rund ein Viertel der jungen Schweizer lässt sich ein Tattoo stechen. Mit der Zeit hat jedoch manch einer von ihnen den Wunsch, die Tätowierung wieder zu entfernen. Dazu gibt es verschiedene Methoden.

Südostschweiz
05.05.12 - 02:00 Uhr

Von Martin Leutenegger

Eine Erscheinung der Neuzeit ist das Tätowieren der menschlichen Haut nicht. Es wurde bei verschiedenen Völkern schon vor Jahrtausenden angewandt. Die Bezeichnung «Tattoo» ist abgeleitet vom tahitianischen «tatau»; bis vor etwa 100 Jahren sprach man denn auch von «Tatauierung». Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich der Ausdruck Tätowierung durch, wogegen sich die Jugend heute gern des englischen Tattoo bedient.

Beim Tätowieren werden Farbstoffe tief unter die Oberhaut gespritzt; die Abbildungen lassen sich deshalb nicht einfach wieder abwaschen und werden auch nicht mit der Zeit von selber abgestossen. Immerhin: Mit den heutigen Methoden lassen sich ältere Tattoos relativ spurlos beseitigen. Einerseits deshalb, weil damals anorganische Stoffe wie Tusche oder Asche verwendet wurden, andererseits, weil die Nadeln nicht sehr tief sowie in grösseren Abständen angesetzt wurden.

«Jeder Wunsch wird erfüllt»

Heute jedoch wird häufig maschinell gearbeitet: Die Tätowierer verwenden Tattoo-Pistolen, die die Substanzen tief in die Lederhaut hineinstechen. Ausserdem werden zunehmend Farbstoffe verwendet, die zum Teil nur mit grossen Schwierigkeiten entfernt werden können. Michael Radenhausen, Leiter und Gründer des Haut- und Laserzentrums an der Klinik Siloah in Gümligen (Bern), vergleicht die Entwicklung mit der Autoindustrie: «Noch vor 20 Jahren konnten Autokäufer bloss zwischen einer Handvoll Farben wählen. Heute erfüllt die Industrie praktisch jeden individuellen Wunsch.» Und von wegen Autoindustrie: Gemäss Radenhausen verwenden Tattoo-Studios tatsächlich gelegentlich Farbstoffe, die für die Lackierung von Autos entwickelt wurden und für den Menschen giftig sein können.

Wie farbige «Kugeln»

«Eigentlich ist es merkwürdig», findet Jana Emmenegger, die das Studio Skinial in Bern führt. Dieses ist auf die Entfernung von Tätowierungen spezialisiert: «So viele Leute lassen sich – beispielsweise als Reiseandenken – ein Tattoo stechen, ohne sich über gesundheitliche oder gesellschaftliche Folgen den Kopf zu zerbrechen.» Erst wenn sie sich ein Tattoo wieder entfernen lassen wollen, beschäftigen sie sich mit den Gefahren und möglichen Konsequenzen.

Es gibt verschiedene Methoden, um eine unerwünscht gewordene Tätowierung zu entfernen. Seit jeher beliebt ist laut Radenhausen die Behandlung mit Säure. Benutzte man früher vor allem Schwefel- oder Trichloressigsäure, steht derzeit die Tattoo-Entfernung mithilfe von Milchsäure hoch im Kurs. Man muss aber wissen, dass die beim Tätowieren unter die Haut gespritzten Farbpigmente dort von körpereigenen Zellen (Makrophagen) eingekapselt werden. «Man kann sich das vorstellen wie farbige Weihnachtskugeln», illustriert Radenhausen diesen Zustand. Die Milchsäure wird nun in diese Hautregion mit den «Kugeln» hineingespritzt – und der Effekt soll darin bestehen, dass die Farbe aus dem Körper auf natürlichem Weg ausscheidet. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung warnte jedoch unlängst, dass diese Methode schwere Entzündungsreaktionen zur Folge haben kann. Emmenegger vom Studio Skinial ist nicht einverstanden: Sie sagt, mit Ausnahme vorübergehender Hautrötungen sei ihr kein Fall einer schweren Entzündung untergekommen.

Farbpigmente «zerstäuben»

Standardbehandlung zur Tattoo-Entfernung ist – neben einer Operation – seit Ende der Neunzigerjahre zweifellos der Laser. Der hoch wirksame Lichtstrahl wird dabei auf die be- reits erwähnten Farbpigmente oder «Weihnachtskugeln» gerichtet, wobei er die Komplementärfarbe des anvisierten Pigments enthalten muss – gegen rote Farbe wird also ein grüner Lichtstrahl eingesetzt. Ziel ist es, die Farbpigmente an Ort und Stelle zu zertrümmern beziehungsweise zu «zerstäuben». Die Abfallprodukte sollten anschliessend durch Abbauprozesse abgeräumt werden.

Auch die Laserbehandlung birgt aber Risiken, das streitet Radenhausen nicht ab, auch wenn er gleichzeitig darauf verweist, dass in den letzten 15 Jahren keine gravierenden Nachteile festgestellt worden seien. Weil der «Pigmentstaub» teilweise noch nach längerer Zeit in den Lymphknoten nachgewiesen werden kann, wurde anfänglich befürchtet, die Laserbehandlung könne vielleicht zu einem erhöhten Krebsrisiko führen. Dieser Verdacht hat sich laut Radenhausen nicht bestätigt, allerdings reiche die Erfahrung in diesem Bereich bloss über weniger als zwei Jahrzehnte zurück.

Immer neue Produkte

Das Hauptproblem beginnt für den Dermatologen allerdings nicht erst bei der Tattoo-Entfernung, sondern bereits beim Anbringen einer Tätowierung. Wobei er erneut auf die Gefährlichkeit einiger Farbstoffe zu sprechen kommt: Zur Anwendung kämen zunehmend organische Verbindungen, Dioxazionderivate oder Azofarbstoffe, die ursprünglich zur Färbung von Textilien entwickelt worden seien. Immer neuere Produkte würden angewendet, deren Wirkung unbekannt und möglicherweise gefährlich sei. Sollten später schädliche Nebenwirkungen auftreten, wäre es schwierig, mit Sicherheit zu sagen, ob der Schaden bereits beim Stechen unter die Haut entstanden sei oder erst später beim Aufbrechen dieser Farbpigmente im Zusammenhang mit dem Entfernen einer Tätowierung.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR