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Davos würdigt Bauknechts Schaffen

Obwohl das Werk von Philipp Bauknecht zum grossen Teil in der Schweiz entstanden ist, kennt man den deutschen Expressionisten hierzulande noch viel zu wenig. Das Kirchner-Museum in Davos widmet ihm jetzt eine umfassende Schau.

Südostschweiz
27.11.14 - 01:00 Uhr

Von Gisela Kuoni

Davos. – Nicht nur Naturverbundenheit oder die Sehnsucht nach hehrer Bergwelt waren es, die Philipp Bauknecht 1910 im Alter von 26 Jahren nach Davos brachten. An Tuberkulose erkrankt, hoffte der junge Künstler, im berühmten Luftkurort gesund zu werden. Doch die erwartete Heilung war nur vorübergehend, 1933 starb Bauknecht in Davos. Geboren in Barcelona, verlebte er seine Jugend im Elternhaus in Schramberg, absolvierte dort eine Schreinerausbildung, studierte später an der Königlichen Kunstakademie in Stuttgart und entschloss sich für ein Leben als freischaffender Künstler. Nach seiner Erkrankung widmete er sich in Davos ganz der Malerei. Für Bauknecht als Kriegsdienstverweigerer war es nicht einfach, seine Arbeiten an Ausstellungen in Deutschland zu zeigen und zu verkaufen. Ansatzweise ist das jedoch durchaus gelungen.

Vergleiche erübrigen sich

Die aktuelle Ausstellung im Kirchner-Museum in Davos streng chronologisch zu gestalten, erwies sich als schwierig, da bei den meisten Werken Bauknechts die Entstehungsdaten fehlen und nur andeutungsweise erfahrbar sind. Da eine direkte Konfronta- tion mit Bildern von Ernst Ludwig Kirchner fehlt, wird Bauknechts Œuvre zu einer ganz eigenen, selbstständigen Werkschau. Vergleiche erübrigen sich. Es ist eine umfassende und eigenständige Präsentation entstanden, die einen wunderbaren Überblick über die Themen gibt, die den Künstler interessiert haben. Bauknecht liess sich von der majestätischen Umgebung inspirieren, von der grandiosen Landschaft, die ihn umgab, von den Menschen um ihn herum und auch vom bäuerlichen Alltag, der sich seinen Augen darbot. Ferdinand Hodler, von dem er in Zürich eine Ausstellung besuchte, auch Giovanni Giacometti mögen ihn beeinflusst oder besser angeregt haben. In frühen Jahren beschäftigten ihn auch Motive aus Jugendstil und Symbolismus, doch vor allem war es wohl Bauknecht selbst, der neue Wege suchte, sich einer expressiven, farbintensiven Ausdrucksweise zuwandte und diese erarbeitete. In zwei grossen Sälen präsentiert sich in Davos das umfassende Werk.

Ein mit symbolistischer Wolkenbildung durchwirkter Himmel wölbt sich über der Idylle eines Schafe hütenden Bergbuben. Hier verklärt Bauknecht wohl das Berglerleben ein wenig. Realistischer wird es auf dem «Schulausflug», auf Bildern auf der Davoser Eisbahn, in stimmungsvollen Waldbildern mit Lärchen, Wiesenblumen, Schmetterlingen. Beeindruckend sind die Darstellungen der arbeitenden Bergbauern, wie sie kraftvoll ihre Sense schwingen, mähen, riesige Heuballen schleppen, wie sie ineinander verkeilt im zähen Zweikampf beim Schwingen ihre Kräfte messen oder beim Zurichten der gefällten Bäume im Walde harte Arbeit leisten und an die Grenzen ihrer Kräfte gehen. Bauknecht gestaltet diese Szenen mit einer gewaltigen Farbigkeit, gesteigert in strahlenden Blau- und Goldtönen, komplementärem Rot und Grün, in expressivem Pinselduktus zu einer leuchtenden Sinfonie von schwungvoller Bewegung. Geometrische Linien zeichnen oftmals den Hintergrund. Die Menschen selbst sind bodenständige, überzeichnete, knochige Wesen, in sich gekehrt, doch ausdrucksvoll und stark. Verschlossen, einsam und wortkarg ziehen Bauern an ihrer Pfeife, sitzen nachdenklich am Wirtshaustisch oder inmitten ihrer Herden auf der Weide. Ein einziges Aktgemälde unterbricht die Reihe von Bauknechts Motiven. Dieser gelben Frau fehlt auch jede Erotik, und sie scheint selbst erstaunt über das, was ihr da geschieht.

Eine düstere Vorahnung

Die zunehmende Verschlimmerung seiner Krankheit band den Künstler mehr und mehr an sein Domizil. So entstanden wunderbare Naturdarstellungen aus Bauknechts Davoser Umgebung. In Davos begegnete er auch Kirchner und war trotz sehr unterschiedlicher Lebensweisen zeitweise mit ihm befreundet. Kirchner schätzte die Arbeiten des jüngeren Künstlerkollegen durchaus, ja er setzte sich für die Beteiligung von Bauknecht an Ausstellungen in Deutschland ein.

Im Eingangsbereich des Kirchner-Museums geben Holzschnitte, Pastelle und Aquarelle einen Überblick über Bauknechts grafisches Werk. Wenige Selbstporträts, Bilder seines kleinen Sohnes Eric im Laufgitter und das rätselhafte Frühlingsbild «Frühlingsantrieb mit Gärtner» (1928–30), in dem wie eine düstere Vorahnung die Buchstaben N, A, Z, und I unmerklich versteckt sind, beenden den eindrücklichen Rundgang.

«Philipp Bauknecht – Davoser Bergwelten im Expressionismus». Bis 19. April 2015. Kirchner-Museum, Davos.

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