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Das Volk soll wissen: Es gibt nach dem Ja kein Zurück

Didier Burkhalter steht im Auge des Sturms der Masseneinwanderungsinitiative, als Bundespräsident und als Aussenminister. Eine Analyse.

Südostschweiz
13.02.14 - 01:00 Uhr

Von Lorenz Honegger

Bern. – Der 53-jährige Didier Burkhalter ist wahrscheinlich das, was das Land in einer ersten Phase braucht: ein kühler Krisenmanager. «Wenn man eine Entscheidung trifft, muss man auch die Verantwortung übernehmen», sagte er gestern. Der Satz ist banal, aber entscheidend. Burkhalter ist willens, die Umsetzung des Volksauftrags anzupacken, obwohl er weiss, dass die Schweiz am Ende der dreijährigen Übergangsphase schlechter, vielleicht viel schlechter dasteht. Man glaubt ihm, dass er es versuchen will.

Innenpolitisch muss der FDP-Magistrat den Ja-Stimmenden vom Abstimmungssonntag eines verständlich machen: Die Personenfreizügigkeit ist für die politische Führung in Brüssel als Grundwert so unantastbar wie die direkte Demokratie für Christoph Blochers SVP. Schafft die Schweiz als kleiner Nicht-Mitgliedsstaat den freien Personenverkehr mit der EU auf eigene Faust ab, hat das ernsthafte Konsequenzen. Das vorteilhafteste Szenario ist der Status quo, das gefährlichste die Aufkündigung der bilateralen Verträge, was für die Schweiz in wirtschaftlicher und politischer Isolation münden würde.

Unglaublich wichtig in dieser Krisensituation: Burkhalter kommuniziert klar und schnörkellos, er beschönigt nichts. Kaum vorstellbar, wenn Johann Schneider-Ammann an seiner Stelle Aussenminister wäre. Burkhalter warnt wörtlich davor, in Panik auszubrechen. Und er bezeichnet das Worst-Case-Szenario gleichzeitig als reale Option.

Respekt für unterlegene Minderheit

Im offiziellen Bundesratscommuniqué steht das Undenkbare, die «eventuelle Kündigung» des Freizügigkeitsabkommens, schwarz auf weiss. Das Volk soll wissen: Es gibt kein Zurück. Die Eidgenossenschaft kann nach der Abstimmung vom Sonntag nicht mehr zur politischen Tagesordnung übergehen. Alle, die Ja gestimmt haben, müssen sich ihrer Verantwortung stellen.

Das bekam gestern auch der Journalist der SVP-nahen «Weltwoche» zu spüren, der dem Bundespräsidenten an der Pressekonferenz klagte, es könne nicht sein, dass die EU der Schweiz bei der Forschung jetzt einfach den Geldhahn zudrehe. Burkhalters Replik: «Die Schweiz hat selber entschieden, bei der Personenfreizügigkeit nicht dabei zu sein. Wenn wir keine Lösung finden, hat das Konsequenzen. Noch einmal: Das haben wir gewusst.»

Eine Ideallösung im Sinn der Initianten wird es nicht geben. Das deutet Burkhalter zwischen den Zeilen bereits an. Er spricht von nationalem Zusammenhalt und vom Respekt für die unterlegene Minderheit, von den Westschweizer Kantonen, von Zürich, Genf und Basel-Stadt, den wirtschaftlichen Motoren der Schweiz, deren Stimmbürger die Masseneinwanderungsinitiative ablehnten. Die Argumentation dahinter: Wenn das Stimmvolk bei 2,9 Millionen Stimmen mit einer Differenz von 19 500 einen derart folgenreichen Entscheid fällt, muss bei der Umsetzung auch die Minderheit berücksichtigt werden.

Ein ähnlicher Konflikt wie bei der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative ist damit absehbar.Die SVP wird ihren Erfolg nicht leichtfertig preisgeben. Wobei bei der Masseneinwanderungsinitiative ungleich mehr auf dem Spiel steht. Es ist zu hoffen, dass Krisenmanager Burkhalter kühlen Kopf bewahrt.

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