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Das Bergsteigen spornt die Gesundheitschefin an

Die Regierungsrätin stand schon auf 7000 Meter hohen Berggipfeln. Und in der St. Galler Gesundheitspolitik steht sie mittendrin. Heidi Hanselmann ist fit für weitere vier Jahre.

Südostschweiz
23.02.12 - 01:00 Uhr

Von Reto Neurauter

St. Gallen. – Regierungsräte haben sehr oft lange Arbeitstage. Wenn, wie zurzeit, auch noch Regierungsratswahlen anstehen, verlängern sich die Tage fast automatisch. So ergeht es auch SP-Regierungsrätin Heidi Hanselmann. Sie aber will nicht klagen, «das Amt fordert einem, es bereichert aber auch sehr», sagt sie, «ich könnte mir im Moment keine interessantere Arbeit vorstellen.»

Und, ist ein solches Amt auch spannend? Ihr wacher Blick verrät, «die Zusammenarbeit, das Zusammentreffen und die Diskussionen mit den unterschiedlichsten Menschen, Berufsgruppen und Persönlichkeiten, die Möglichkeit Spuren zu legen und Neues zu entwickeln, begeistert mich immer wieder.»

Fit in die Zukunft

Acht Jahre ist sie nun die Vorsteherin des St. Galler Gesundheitsdepartementes. Und sie kommt auf das zu sprechen, zu dem sie auch heute noch mit grosser Überzeugung Ja sagt: Vier Spitalunternehmen, ein Verwaltungsrat. «Das ist eine gute Sache», erklärt sie, «die sich über einen positiven Leistungsausweis auszeichnet. Unsere Spitäler gelten im schweizweiten Vergleich als kostengünstig, die Qualität wird hoch eingeschätzt, und mit den Regionalspitälern können wir eine Grundversorgung in den Regionen wohnortnah für die Patientinnen und Patienten anbieten.»

Und nicht ohne Stolz fügt sie an: «Alle Spitalstandorte weisen eine hohe Bettenbelegung aus, was wir als Vertrauensbeweis der Bevölkerung an die Arbeit werten, die in den Spitälern geleistet wird.» Und mit dieser Spitalstrategie sei man auch fit für die Zukunft.

Fit und voller Tatendrang ist sie auch selber. «Mehr denn je», sagt sie. Denn gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden sei viel gelungen. Das gebe Energie, sporne an und motiviere für die kommenden Herausforderungen der nächsten vier Jahre wie Spitalinvestitionen, Entwicklung der Psychiatrie oder die Gesundheitsförderung anzupacken und das gesammelte Wissen und die Erfahrung der letzten beiden Legislaturen wirkungsvoll einzubringen.

Apropos konditionell fit sein. Das helfe, aber sie gibt zu Verbesserungspotenzial zu haben, «denn die Arbeit als Gesundheitschefin ist sehr zeitintensiv». Dazu komme, dass sie nicht aus dem Elfenbeinturm heraus politisieren will. Deshalb nimmt sie sich auch immer wieder Raum, um sich mit den Mitarbeitenden vor Ort zu treffen. Auch das brauche Zeit. «Diese Zeit stelle ich aber sehr gerne zur Verfügung», sagt sie lächelnd, glücklicherweise könne sie immer noch von einer guten Grundkondition profitieren, die sie sich in früheren Jahren, in denen sie sehr viel Sport getrieben habe, angeeignet habe.

Diese braucht sie auch, wenn es um die Kosten in der Gesundheitspolitik geht. Und sie ärgert sich, wenn die Krankenkassenprämien wieder steigen. Obwohl die Gesundheitskosten im Kanton St. Gallen im Durchschnitt nur moderat steigen, wachsen die Krankenkassenprämien überdurchschnittlich. Und Hanselmann gibt den Versicherern auch gleich den Tarif durch. Sie erwarte von ihnen, dass sie sich «für eine moderne, qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung einsetzen, die sich um die kranken Menschen kümmert, und nicht einfach einen ungesunden Wettbewerb um gute Risiken betreiben». Als kostengünstiger Kanton wolle man einen moderaten Prämienanstieg.

Mittelstand nicht weiter belasten

Wieder ansteigen tun jetzt auch die Steuern. Der Kanton muss sparen und braucht mehr Einnahmen. Aber wie sagt sie es einer alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern? «Wir müssen mit Augenmass sparen und nicht dort ansetzen, wo es wieder die Schwächsten am stärksten trifft», erklärt sie, sonst könnte uns Sparen teuer zu stehen kommen. Sie fordert auch, dass die finanziell sehr gut Gestellten mittels Steuern ihren Beitrag zu einem sozialverantwortlichen Staat leisten sollen, während es darum geht, den Mittelstand nicht weiter zu belasten. Um die Belastungssituation zu entschärfen, dürften die Beiträge für die Individuelle Prämienverbilligung nicht nochmals gekürzt werden. Personen in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen, gestützt auf Steuerdaten, hätten Anspruch auf eine individuelle Prämienverbilligung, die von Bund und Kanton finanziert wird, erklärt die Regierungsrätin dazu.

Heidi Hanselmann setzt sowieso auf Information und Dialog. Betroffene zu Beteiligten machen, sei ihre Lebensphilosophie, «die in meine tägliche Arbeit als Gesundheitschefin einfliesst». So pflege sie mit der Ärzteschaft, Pflegefachpersonen, Therapiepersonal, den verschiedenen dazugehörenden Verbänden, dem Bauernverband und den Vertretern der Fleischindustrie institutionalisierte Aussprachen.

Am Tag der Kranken am ersten Sonntag im März und am Tag der psychisch kranken Menschen am 10. Oktober gehöre ihre Zeit immer den Betroffenen und den Mitarbeitenden in den Spitälern und Kliniken. «Es ist mir wichtig zu wissen, was das Gegenüber denkt, auch wenn ich bei Entscheidungen nicht immer alle Ansichten berücksichtigen kann», gibt sie zu bedenken.

Dieser Draht zu den Menschen, zur Bevölkerung im so genannt «südlichen Kantonsteil» ist ihr auch wichtig. Dort fühle sie sich wohl, gut aufgehoben, tanke in den Bergen Energie. Als Polizistentochter habe sie jedoch viele Regionen im Kanton St. Gallen kennen und lieben gelernt. Damals hiess es nämlich, alle fünf Jahre umziehen. Nach all den Jahren, in denen sie im südlichen Teil des Kantons wohne, wisse sie natürlich auch aus eigener Erfahrung, «wo der Schuh drückt und ich kann mich entsprechend glaubwürdig für die Lösung der Problemstellungen engagieren», erklärt sie.

Die gleichen Chancen für alle

Sie weiss aber auch, dass vieles nicht aus Erfahrung erreicht wird, sondern durch steten Kampf. So sei es auch mit der Gleichberechtigung im umfassenden Sinn, die für sie selbstverständlich sei. Aber was tut sie, dass Mann und Frau den gleichen Lohn bekommen? Als Bürgerin unterstütze sie Aktionen und Abstimmungen, in denen es darum gehe, Gleichstellung zu erreichen und sicherzustellen, gerade auch im Hinblick auf Entlöhnung.

Das Erreichen von sozialer Gerechtigkeit werde «eine stetige Herausforderung bleiben». Zu Erreichtem müsse Sorge getragen werden. Das heisse für sie aber auch, die Situationen in allen Lebensbereichen immer wieder zu durchleuchten, «damit der Prozess der Chancengleichheit in die Richtung läuft, die Chancengleichheit möglichst möglich macht», fordert eine in der Sache immer engagierte Heidi Hanselmann.

Das ist auch so, wenn es um die Zukunft der Regionalspitäler geht. Rund 365 Millionen Franken kostet sozusagen die Nachrüstung der Spitäler in Grabs (110), Altstätten (90), Wattwil (85) und fürs Spital Linth in Uznach (80). Auf den ersten Blick sei das viel Geld, sehr viel. Aber: «Der Nachholbedarf ist begründet und ausgewiesen», stellt sie fest.

Wie und wo verbringen Sie Ihre Freizeit?

Heidi Hanselmann: In der Natur, mit Menschen im Gespräch, mit Geschichtsbüchern.

Vor was haben Sie Angst?

Eigentlich ist mein Motto «habe Respekt aber keine Angst». Ereignisse wie in Fukushima zeigen uns die Kräfte, die Naturgewalten haben können. Meine Befürchtung ist, dass wir zu wenig daraus lernen und uns nicht voll für die Weiterentwicklung von alternativen Energien einsetzen.

Was lesen Sie derzeit?

«Ganz bei mir» von Gerlinde Kaltbrunner. Sie gehört zu den besten Höhenbergsteigerinnen unserer Zeit.

Was verwenden Sie auf Ihrem Computer als Bildschirmhintergrund?

Die Parrotspitze und Signalkuppe mit Margherita-Hütte. Eine unvergessliche und romantische Hochtour.

Wo werden Sie dieses Jahr Ihre Ferien verbringen?

Vielleicht in einem Land, in dem es einen Sechstausender zu besteigen gibt oder auf den Churfirsten und im Berner Oberland, um endlich mit etwas Wetterglück das Finsteraarhorn besteigen zu können.

St. Gallen. – Heidi Hanselmann begann ihre Karriere als Primarlehrerin. 1992 schloss sie das Studium für Logopädie an der Hochschule für Heilpädagogik in Zürich ab und war danach als Therapeutin tätig. 1996 übernahm sie auch noch die Leitung der Abteilung Logopädie am Kantonsspital St. Gallen. 1996 wurde sie für die SP in den Kantonsrat gewählt, 2004 in die Regierung des Kantons St.Gallen, wo sie seitdem Vorsteherin des Gesundheitsdepartementes ist. Präsidentin der St. Galler Regierung war Heidi Hanselmann in der Amtsperiode der Jahre 2008 und 2009. (nr)

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