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«Computer und Smartphones – tödlich für Modelleisenbahnen»

100 000 Franken lautet die Forderung vom Besitzer der Modellspielwaren Züger in Oberurnen. Diese Summe muss zusammenkommen, damit er sein Geschäft an einem neuen Ort weiterführt. Sonst muss er den Laden schliessen.

Südostschweiz
19.12.14 - 01:00 Uhr

Von Delia Landolt

Oberurnen. – Das Lokal an der Hauptstrasse in Oberurnen ist unübersehbar. Über das Dach hinaus ragt ein grosser Propeller. Innen ist der Laden bis unter die Decke gefüllt mit Modellfliegern und Helikoptern, Modelleisenbahnen und unzähligen Kleinigkeiten für den Bau einer Anlage. Kleinste Figuren in allen möglichen Varianten, Bäume, Blumen und Streugras sind zu finden. Ausserdem Spielzeugfahrzeuge vom modernen Smart bis zum Militärpanzer.

Bis spätestens im Februar muss aber alles raus. Auch der Propeller auf dem Dach ist schon an ein Museum verkauft worden. Bruno Oswald, Inhaber des Fliegershops, wird das Ladenlokal künftig als Schreinerwerkstatt nutzen. Denn die Konkurrenz des Internetangebots sowie ferngesteuerte, billigere Modelle von Grossverteilern setzen dem «Aviatikshop» zu.

Der eingemietete Modellspielwaren Züger, unter der Führung von Daniel Bär, steht damit jetzt vor der Entscheidung: Umziehen oder das Geschäft ganz schliessen.

100 000 Franken sind nötig

Zwar laufe das Geschäft seit dem Umzug vor rund vier Jahren nach Oberurnen besser als vorher in Glarus, «aber ich nehme trotzdem nicht so viel ein, dass ich mir davon einen Lohn auszahlen könnte», sagt Bär. Seit Längerem lebe er deshalb hauptsächlich von seinem Ersparten.

Aus diesem Grund stellt Bär nun seine Kunden in einer Facebook-Mitteilung und einem Rundschreiben vor die Wahl: «Wenn ich bis zum Februar 100 000 Franken einnehme, suche ich mir ein neues Ladenlokal.» Es werde dann sicher ein kleineres Geschäft sein, meint Bär. Sollte das Geld aber nicht zusammenkommen, wird es den Modellspielwaren Züger mit über 61-jähriger Tradition nicht mehr im Glarnerland geben.

Die 100 000 Franken, die zusammenkommen sollen, will Bär als Reserve behalten. Dies, um etwas im Hintergrund zu haben und später auch investieren zu können. «Es ist nicht unrealistisch», sagt Bär. Reaktionen auf seine Mitteilungen habe es schon gegeben – bisher aber zu wenig.

Internet begleitet die Züge ins Grab

«Eigentlich müsste man in dem Monat vor Weihnachten die Hälfte des Jahresumsatzes machen. Aber das hat bei mir noch nie funktioniert.» Die Gründe dafür sind Daniel Bär klar: «Wir leben im Zeitalter des Internetshoppings.» Die Ware könne so bequemer, schneller und auch billiger als im Laden bestellt werden.

Ein ganz anderer Aspekt ist die hohe Qualität der Modelleisenbahnen: «Es gibt nichts, was länger hält als eine Modelleisenbahn. Eine solche Lokomotive übersteht etwa drei Generationen.» Als Händler könne man aber meist nur Ware verkaufen, wenn andere vorher kaputtgehe.

Dazu komme, dass Modelleisenbahnsammler und -Bauer immer älter werden und irgendwann ihr Hobby aufgeben müssten. «Der Markt wird überschwemmt mit Occasionen», so Bär. Das Hobby ist aber auch sehr kostspielig, und viele junge Leute interessieren sich laut Bär für anderes: «Computer und Smartphones – sie sind der Tod für Modelleisenbahnen.»

Zurück zu den Originalen

«Wenn ich im Februar den Laden auflösen muss, bin ich noch ein bis zwei Jahre damit beschäftigt, die Ware übers Internet zu verkaufen.» Grössere Pläne hat Bär noch nicht. Vielleicht wechselt er als Lokführer wieder zu Zügen in Originalgrösse. Doch den Laden zu schliessen, würde ihm schwerfallen: «Wäre ich kein leidenschaftlicher Modelleisenbahnsammler, hätte ich ihn nicht 20 Jahre gehalten.»

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