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Claudio Riesen – ein stiller Schaffer ohne Glanz und Gloria

Seit über 20 Jahren ist Claudio Riesen Direktor der Standeskanzlei Graubünden. Er ist die eigentliche Konstante der Bündner Regierung. Doch wer ist der weisshaarige Mann eigentlich? Eine Annäherung.

Südostschweiz
24.07.14 - 02:00 Uhr

Der «heimliche Regierungsrat»? Claudio Riesen führt die Standeskanzlei Graubünden seit über 20 Jahren. (Foto Yanik Bürkli)

denise erni

Sein Büro liegt im Grauen Haus an der Reichsgasse in Chur. Der Teppich im Büro ist grau. Der Anzug, den Claudio Riesen zum Interview heute ausgewählt hat, ist ebenfalls grau, seine Haare sind es auch. Oder weiss. Das ist Ansichtssache. Und er? Ist er eine «graue Eminenz», gar ein «heimlicher Regierungsrat», ein «Schattenregierungsrat»? «Nein, nein», winkt er gleich ab. Er mag solche Vergleiche nicht. «Das bin ich mit Sicherheit nicht», sagt er. Seine und die Aufgabe seines Teams sei es, die Regierungsmitglieder mit den technischen Mitteln, die sie für ihre Arbeit bräuchten, auszurüsten, sie in ihrer Arbeit zu unterstützen, zur Strategiebildung beizutragen und ihre Arbeit zu organisieren. «Es ist eine politnahe, aber keine politische Funktion», so Riesen. «Es ist ein Wirken im Hintergrund und braucht eine gewisse Zurückhaltung.» Er ist der Mann, der die Fäden zusammenhält, das politische Protokoll, wie seine Westentasche kennt und für einen reibungslosen Ablauf sorgt, wenn beispielsweise Regierungskollegen aus dem In- und Ausland zu Besuch sind. «Die Regierungsmitglieder haben einen Anspruch darauf, dass alles funktioniert.» Dennoch kann unsereins sich die fünfköpfige Bündner Regierung ohne den Direktor der Standeskanzlei gar nicht mehr vorstellen. Riesen gehört zum Kollegium wie Lametta am Weihnachtsbaum oder Glacé im Sommer.

Grosse Faszination am Job

Seit 1991 leitet der 61-jährige Jurist die Standeskanzlei Graubünden. Zuvor amtete er zehn Jahre als Stellvertreter von Kanzleidirektor Fidel Caviezel. Nach dessen Pensionierung hat sich Riesen auf die Stelle beworben und bekam sie – und blieb. «Eigentlich war es schon meine Absicht, noch etwas anderes zu machen», sagt er und lächelt. Aber es habe sich nie ergeben. «Die Zeit nach der Jahrtausendwende war eine spannende Phase in der Politik und der Verwaltung», sagt Riesen. «Die Faszination des Jobs war und ist gross und die Zusammenarbeit mit der Regierung macht Freude.» Das habe dann dazu geführt, dass er blieb. Das Schöne an seinem Job sei, dass «ich mit vielen Leuten zu tun habe.» Sei es mit Mitarbeitenden in der Verwaltung oder auch mit Gästen von anderen Regierungen. Zudem habe er einen gewissen «Gestaltungsfreiraum im Rahmen, den mir die Regierung vorgibt». «Die Aufgaben und politischen Szenarien wechseln rasch und viel», sagt er. «Das macht den Job nie langweilig.» Zu seinen schönsten Erlebnissen zählt Riesen die Session der Eidgenössischen Räte im Herbst 2006 in Flims. «Aber auch Begegnungen mit Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, sondern im Hintergrund dafür arbeiten, dass der Staat funktioniert, gehören für mich zu unvergesslichen Erlebnissen», erzählt er. «Ganz im stillen Kämmerlein, ohne Glanz und Gloria.» Eigentlich Menschen wie er. Zog es ihn nie selber in die Öffentlichkeit, in ein politisches Amt? «Nein», kommt es bestimmt.

Erfreut über neuen Chef

Riesens Vorgesetzte wechseln alle paar Jahre. Im neuen Jahr bekommt er mit Jon Domenic Parolini einen neuen Chef. Wie zufrieden ist er mit dem Wahlausgang von Mitte Mai? «Ich habe immer Freude am Ausgang der Wahlen», sagt er und lacht. Ist er, als BDP-Mitglied froh, dass Parolini und nicht dessen Kontrahent Heinz Brand ins Graue Haus einzieht? «Was, das Volk festlegt, ist richtig», weicht er wieder aus. «Es ist eine Volkswahl und wer diese gewinnt, hat Anspruch auf gleiche Dienstleistungen. Unvoreingenommen und professionell.» Und dann, dann zeigt Riesen doch ein paar Emotionen. «Persönlich bin ich durchaus erfreut.» Er schmunzelt.

Viele Regierungsräte sah Riesen kommen und gehen. Er blieb. An welchen seiner Chefs erinnert er sich gern? «Ich erinnere mich an viele Regierungsräte gerne zurück», antwortet er wieder ganz unspektakulär. «Ich habe mit keinem eine schlechte Erfahrung gemacht.» Es sei auch nicht an ihm zu sagen, den hatte ich lieber als den anderen. «Jeder hatte seine eigene Art mit dem Amt umzugehen. Es gibt verschiedene Persönlichkeiten und verschiedene Stile.» Fakt sei, dass man untereinander ein sehr kollegiales und freundschaftliches Verhältnis pflege und miteinander verbunden sei. «Da nimmt es einem dann auch mit, wenn jemand aus dem Kollegium oder dessen Umfeld grosse Sorgen hat», sagt Riesen. Wenn die Regierung tagelang medialer Kritik ausgesetzt ist – gerechtfertigter und ungerechtfertigter. «Solche Dinge lassen einem sicher nicht unberührt», sagt er. Einmal im Jahr trifft sich Riesen mit den alt Regierungsmitgliedern und dessen Partnerinnen zu einem Mittagessen. Aber auch unter dem Jahr hält er Kontakt mit «Ehemaligen».

Körperliche Herausforderung

In vier Jahren wird der Vater eines erwachsenen Sohnes, pensioniert. Was sind seine Pläne bis dahin? «Es dauert jetzt ja noch etwas bis zu meinem letzten Arbeitstag», sagt er und lacht. Wichtig für ihn sei, dass man sich bis zu seinem letzten Arbeitstag verantwortlich fühlt und alles gibt. «Ich möchte kein langsames Lichterlöschen.» Was danach kommt, wisse er noch nicht. Vorerst kommen jetzt dann ein paar arbeitsfreie Tage, die er mit seiner Ehefrau Beatrice in den Bergen verbringt. «Wir sind beide passionierte Bergsteiger. Früher unternahmen wir Touren der schärferen Art, heute machen wir Berg- und Hochtouren.» Er brauche die körperliche Herausforderung als Gegenpol zu dem, was er mache. Damit er, wenn er zurück im Alltag ist, in Ruhe und Gelassenheit im Hintergrund wirken kann.

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