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Bündner Pferde russischer Abstammung

Über 2600 Pferde wurden früher im Kanton gehalten, die meisten von ihnen wurden in der Kutscherei eingesetzt. Unter ihnen befanden sich auch Bündner Rassen wie das Mayenfelder-Pferd oder das Bündner-Oberländer-Pferd.

Südostschweiz
30.07.14 - 02:00 Uhr

Edy Walser

Im 1897 erschienenen «Illustrierten Lehrbuch für die gesamte Schweizerische Alpwirtschaft» befasst sich Felix Anderegg, der während zehn Jahren an der Kantonsschule Chur Landwirtschaft unterrichtete, auch eingehend mit Pferdezucht und Pferdehaltung. «Obwohl diese infolge der Ausdehnung der Milchwirtschaft hervorgetretenen Rindviehzucht mehr und mehr zurückgegangen ist und bloss noch in einigen Gegenden betrieben wird.» Dass Pferdehaltung während Generationen eine Selbstverständlichkeit war, belegen Flurnamen wie Rossboden, Rossweid, oder Füllitobel.

Auf den Spuren Suworows

In einem Bericht der Regierung aus dem Jahr 1864 wird auf die wirtschaftliche Bedeutung der Pferdezucht in der Herrschaft, im Prättigau und im Bündner Oberland hingewiesen. Von den 2600 Pferden, die damals im Kanton Graubünden gehalten wurden, waren 1500 für die Post, Fracht- und Lohnkutscherei im Einsatz. Zum Leidwesen Andereggs sind die einheimischen Pferdeschläge durch den Import von ausländischen Rassen und Einkreuzungen mit solchen verloren gegangen. In Andereggs Bericht werden zwei Bündner Pferdeschläge besonders erwähnt: Das «Mayenfelder-Pferd» und das «Bündner-Oberländer-Pferd». Das in der Bündner Herrschaft gezüchtete und gehaltene Pferd gleiche dem Einsiedler Pferd. Im Gegensatz zum Freiberger-Pferd verfügten die «Einsiedler», die als «Cavalli de la Madonna» in die Geschichte eingegangen sind, über gute Reiteigenschaften und waren deshalb sehr gefragt. Das dürfte auch einer der Gründe dafür gewesen sein, dass sich Maienfeld in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Dreh- und Angelpunkt des Pferdehandels entwickelte. Mit dem «Bündner-Oberländer-Pferd», das leider von der Bildfläche verschwunden ist, hat es eine besondere Bewandtnis. Anderegg schreibt: «Die Tiere dieses alträtischen Schlags sind ausdauernd, genügsam und durch sichern Gang ausgezeichnet, für den Verkehr über die Bergstrassen und Pässe vorzüglich geeignet.» Der «Oberländer» ist zweifellos auf die Pferde zurückzuführen, die von der russischen Armee unter General Suworow nach der Überquerung des Panixerpasses am 5. Oktober 1799 erschöpft im «Oberland» zurückgelassen wurden. Auf der Alp Mer-Pigniu gibt es eine «Plaun da Cavals», wo angeblich versprengte russische Pferde aufgefunden worden waren. Da es sich bei diesen versprengten und zurückgelassenen Pferden um Reit- und Lastpferde handelte, die den Gotthard überquert hatten, dann sich von Altdorf über ins Muotatal durchgeschlagen hatten und anschliessend über den Pragelpass ins Glarnerland gelangt waren und schliesslich noch den Panixerpass bezwungen hatten, handelte es sich um eine Auslese: ausdauernd, genügsam und trittsicher.

Wie Rudolf v. Salis in der Festschrift «100 Jahre Bündner Bauernverband» 1950 schreibt, wurden beim «Oberländer» auch Sardische Hengste eingesetzt. Aufgrund ihres Charakters und ihrer Leistungsbereitschaft – ausdauernd, genügsam und trittsicher – müssen die Sarden dem «Oberländer» entsprochen haben. 1999 wurde in Andermatt in Erinnerung an die Alpenüberquerung Suworows vor 200 Jahren ein wissenschaftliches Kolloquium durchgeführt. Der Militärhistoriker Hans Rudolf Fuhrer befasste sich in seinem Beitrag «Suworow's Ort in der Schweizer Geschichte» auch mit Strassen- und Ortsnamen, die an den General erinnern. Dazu gehört die «Plaun da Cavals» auf der Alp Mer. Ein weiteres Überbleibsel, das an diesen weltgeschichtlichen Feldzug erinnert, ist nach Fuhrer ein «gastronomisches». «Die aus gebratenen Kartoffeln, Käse und Fett bestehende Speise, welche heute noch im Bündner Oberland aufgetischt wird, heisst 'Russers'.

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