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Brückenkopf zum Osten

Hauptstadt, Hansestadt, Universitätsstadt, Wirtschaftsmetropole, Reiseziel, europäische Kulturhauptstadt 2014 – Riga ist vielseitig und vor allem kosmopolitisch. Die kulturelle und sprachliche Mischung macht die Stadt besonders spannend.

Südostschweiz
20.05.12 - 02:00 Uhr

Von Inka Grabowsky

Mit 700 000 Einwohnern ist die lettische Hauptstadt Riga eine eher kleine Metropole. Bedenkt man jedoch, dass in ganz Lettland nur 2,2 Millionen Menschen wohnen, wird die Magnetwirkung der Stadt sofort deutlicher. Gleichzeitig ist Riga die grösste Stadt im ganzen Baltikum und eine auf Jugendlichkeit ausgerichtete. Das merkt man nicht nur am tiefen Durchschnittsalter der Passanten, die einem in den Strassen begegnen, sondern auch am Veranstaltungsangebot. In Lettlands Hauptstadt ist immer etwas los. Über 40 000 der Ridzinieki – wie man die Einwohner von Riga nennt – sind Studenten. Sie werden die Hauptnutzniesser des Neubaus der Nationalbibliothek sein, die heuer fertiggestellt werden soll. Der Prestigebau mit dem offiziellen Titel «Lichtschloss» erinnert an einen gläsernen Berg und prägt das ganze Viertel, welches sich direkt gegenüber der Altstadt befindet.

Die Studenten sind für die vielen Touristen in der Stadt nicht unerheblich. Als Velo-Rikscha-Fahrer im Nebenjob sind sie inoffizielle Informationsquelle und Retter in der Not, wenn die Füsse müde werden. Denn Reisende, die etwas auf sich halten, haben einiges zu tun, wollen sie Riga gerecht werden. 28 Hektar des Stadtgebiets sind seit 1997 Unesco-Weltkulturerbe. Einzigartig ist die Mischung: Es gibt mittelalterliche Gassen und Backsteingotik ebenso wie ein ganzes Quartier in dekorativem Jugendstil. Wie zum Zeitpunkt ihres Baus gilt das Ensemble aus 800 Häusern als edelste Wohngegend Rigas. Botschaften, Privatschulen und exklusive Boutiquen finden sich in diesem Teil der Stadt. Viele der Touristen kommen mit den Kreuzfahrtschiffen, die regelmässig im Fährhafen von Riga halt machen. Wie es sich für eine alte Hansestadt gehört, spielt die Schifffahrt nach wie vor eine grosse Rolle, auch wenn das Meer 25 Kilometer entfernt ist. Über den Fluss Daugava (zu Deutsch Düna) ist man mit der grossen weiten Welt verbunden, ohne den Naturgewalten an der Küste zu sehr ausgesetzt zu sein.

Die lettische Hauptstadt hat der Welt viel zu geben. Hier wurde der Weihnachtsbaum ebenso erfunden wie der Kräuterlikör Black Balsam, der bei keinem Souvenir-Einkauf fehlen darf. Während der geschmückte Christbaum überall in der Welt Fans gefunden hat, ist das mit dem Schnaps ein bisschen anders. In Riga aber mixt man die bitter-süsse Spirituose sogar unter Champagner, was nun wirklich nicht jedermanns Sache ist. Unstrittig von grossem Vorteil für den Rest der Welt sind die lettischen Beziehungen zu Russland. Lettland präsidiert turnusgemäss 2015 die Europäische Union. Dadurch, dass rund 40 Prozent der Einwohner Russen sind, kennt jeder die Sitten und Gebräuche des ehemaligen grossen Bruders und Besatzers. Was früher Fluch war, ist heute Segen – in wirtschaftlicher Hinsicht. Dieser Umstand macht die geschichtsträchtige Stadt zum Brückenkopf gegen Osten. Oder von der anderen Seite her betrachtet: zum Tor gen Westen.

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