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Berner BDP-Landfrauen suchen nach dem richtigen Rezept

Die Wahlschlappe der BDP-Männer rückt die Frauen in der Partei in den Vordergrund. Ein Zufall oder doch eher nicht? Drei Begegnungen mit engagierten Berner BDP- Politikerinnen.

Südostschweiz
05.04.14 - 02:00 Uhr

Von Daniel Fuchs

Bern. – Staub liegt in der Luft, es riecht nach bearbeitetem Holz – Anita Luginbühl führt zusammen mit ihrem Mann in Krattigen eine Schreinerei. Ihre Zeit dürfte künftig knapper werden: Unverhofft hat die Abwahl des erfahrenen Chefs der Berner BDP-Grossratsfraktion die 53-Jährige an die Spitze der Sektion in einem der drei Gründerkantone katapultiert. Enttäuschte SVP-Mitglieder hatten nach der Wahl Eveline Widmer-Schlumpfs in den Bundesrat 2007 und nach dem Rauswurf der Bündner SVP aus der SVP Schweiz eine eigene BDP-Sektion gegründet. 2008 schlossen sie sich mit den Bündnern und den Glarnern zur BDP Schweiz zusammen.

Sichtbare Mittepolitik

Nach der Wahlschlappe vom Wochenende in Bern will Anita Luginbühl im Grossen Rat dafür sorgen, dass ihre Partei zu einer Mittepolitik findet, die der Wähler auch bemerkt. Denn just im Kanton der stolzen Erben der einst mächtigen SVP-Vorläuferin, der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB), gerät die so hoffnungsvoll lancierte BDP-Saga ins Stocken: Die Wahlen brachten einen Wähleranteilverlust von 16 auf 11 Prozent. Dramatisch traf das die Grossratsfraktion: Mathematisches Pech liess sie von 25 auf 14 Sitze schrumpfen. Neben dem erfahrenen Fraktionschef traf es weitere zehn Grossratsmitglieder; allesamt Männer.

Schmid kann es nicht fassen

Konsternation machte sich breit. Alt-Bundesrat Samuel Schmid zeigte sich so erschüttert, dass er nicht darüber sprechen mochte. Die Niederlage der Partei, bei deren Gründung neben dem Rauswurf der «Verräterin» Widmer-Schlumpf auch Schmids Leidensgeschichte als «halber Bundesrat» eine Rolle gespielt hatte, schmerzt diesen besonders. Die Partei, die ihm eine politische Heimat geboten hatte, ist angekommen in der Realität. Die SVP Bern dagegen findet mit 29 Prozent fast wieder zu alter Stärke.

Das Gesicht der BDP prägen nun vor allem Frauen. Fast 50 Prozent beträgt ihr Anteil in der bernischen Grossratsfraktion, was aussergewöhnlich ist für eine bürgerliche Partei. Fraktionschefin Anita Luginbühl sieht nach der Schlappe weder ein inhaltliches noch ein personelles Problem. «Es gelang uns nicht, den Wählern zu zeigen, was wir alles bewegt haben», sagt sie. Hierbei bestehe Handlungsbedarf.

Beatrice Simon ist das Pendant zu Eveline Widmer-Schlumpf, ein Zugpferd der BDP, einfach auf Kantonsebene im Kanton Bern: Glanzvoll wiedergewählt führt sie, analog zu Widmer-Schlumpf auf Bundesebene, die schwierigen finanzpolitischen Geschicke ihres Kantons.

Von der Stadt aufs Land

Eigentlich ist die 53-Jährige ein Stadtkind, dann aber zog sie das Land vor, und lebt seither in Seedorf im Seeland. Wir treffen Simon aber in der Finanzdirektion am Münsterplatz. Exklusiver ist die Aussicht aufs Berner Münster nirgends. Hellt sie die trüben Aussichten für die BDP auf, Frau Finanzdirektorin? «Wir sind gekommen, um zu bleiben», antwortet Simon keck. Solchen Plattitüden folgen nachdenkliche Worte. Simon spricht von einem schmerzhaften «Chlapf» für die Partei.

Die Realität kann schmerzhaft sein, Simon rühmt sich und die Partei, eine lösungsorientierte Politik betrieben zu haben. Ob das die Wähler bemerkt haben? Ist die Partei in eine Sachpolitik-Falle getappt? «In Gesetzgebungsprozessen und auf parlamentarischer Ebene hatten wir Erfolg, nur wurde er von den Wählern nicht wahrgenommen», erwidert Simon sehr nachdenklich. Ihre vorläufige Analyse deckt sich mit derjenigen der neuen Fraktionschefin.

Das Poltern der Männer

Gerade einmal 15 Autominuten sind es von der Altstadt zum Bauernbetrieb, den eine weitere BDP-Frau bewirtschaftet. Der Weiler heisst Juchlishaus, die Streusiedlung Rosshäusern. Die Höfe gehören zur politischen (AKW-)Gemeinde Mühleberg. Ein Berner Sennenhund begrüsst uns. Hier, nur gerade wenige Hundert Meter von Berns Stadtgrenze entfernt, ist Land pur. Ist es BGB-Land, SVP-Land oder gar BDP-Land?

Schwierig zu beurteilen. «Männer poltern mehr und vor allem anders als Frauen», sagt die 48-jährige Anita Herren – für sie mit ein Indiz dafür, dass Frauen sich eher vom polarisierenden Stil der SVP abgeschreckt und vom respektvollen Umgang der BDP angezogen fühlen. Doch sei die SVP zahmer geworden, vor allem im Kanton Bern, so Herren. Möglich also, dass sich ehemalige BDP-Wähler wieder der SVP zugewandt haben. Ob es überhaupt noch eine BDP braucht? «Unbedingt», so die ausgebildete Bäuerin, «in der BDP fühle ich mich auch als Frau wahrgenommen.»

Altgediente Männer sind weg, die Frauen bleiben. Sie waren einst SVP-Mitglieder. Wird die BDP zur Frauenpartei? Frauen haben nun Gelegenheit, ihr neues Leben einzuhauchen.

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