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Berlusconi-Partei probt den Aufstand gegen Mario Monti

Mit der Ankündigung einer erneuten Spitzenkandidatur und einer Machtdemonstration im Parlament destabilisiert Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi die Regierung und macht sich zum Wahlhelfer der von ihm so innig gehassten Linken.

Südostschweiz
07.12.12 - 01:00 Uhr

Von Dominik Straub

Rom. – Durch das kalte Rom wehte gestern der eisige Hauch einer drohenden Regierungskrise. Bei zwei Vertrauensabstimmungen im Senat und im Abgeordnetenhaus verweigerte Berlusconis PDL der Regierung die Gefolgschaft. Premier Mario Monti stürzte nur deshalb nicht, weil die meisten PDL-Abgeordneten und -Senatoren der Abstimmung fernblieben oder sich der Stimme enthielten. Federico Bricolo, Fraktionschef der Lega Nord, die seit Montis Amtsantritt vor einem Jahr Frontalopposition betreibt, jubelte: «Die Regierung hat keine Mehrheit mehr.» In der Tat war gestern unklar, ob die Legislatur noch ihr «natürliches Ende» im Frühling erreicht oder vorzeitig beendet wird. Denn ohne die Berlusconi-Partei hat die Regierung Monti weder in keiner Parlamentskammer eine Mehrheit.

«Inopportune» Kandidatur

Indirekte Ursache des Eklats, auf den die Finanzmärkte umgehend mit einem scharfen Zinsanstieg für italienische Anleihen reagierten, war eine zunächst vage Ankündigung Berlusconis, bei den Parlamentswahlen vom Frühling 2013 erneut als Spitzenkandidat anzutreten – zum sechsten Mal. Ein Jahr nach seinem Rücktritt vor gut einem Jahr stehe Italien «am Rande des Abgrunds», hiess es in einer Erklärung des Ex-Premiers am Mittwochabend. «Wir haben eine Million mehr Arbeitslose, die Schulden steigen, die Kaufkraft zerfällt, die Steuerbelastung ist auf einem unerträglichen Niveau. So geht es nicht mehr weiter», betonte Berlusconi.

Montis Minister für Wirtschaftsentwicklung, Corrado Passera, wagte es in der Folge, eine Kandidatur Berlusconis als «inopportun» zu bezeichnen: Jedes Signal, das im Ausland den Eindruck erwecken könnte, Italien kehre wieder zu alten Gewohnheiten zurück, wäre «kontraproduktiv», sagte Passera im Staatssender RAI.

Nicht alle ziehen mit

Das war zu viel für Berlusconi und seinen Hofstaat. In der Folge boykottierte der PDL die beiden Vertrauensabstimmungen, und PDL-Sekretär Angelino Alfano bestätigte am Abend offiziell, dass Berlusconi noch einmal kandidieren wird. Er kündigte ferner an, Staatspräsident Giorgio Napolitano heute Freitag Bericht über die Absichten seiner Partei zu erstatten.

Doch die Aussicht darauf, dass sich Berlusconi noch einmal als Retter der Nation in Szene setzt, verursacht inzwischen auch bei vielen PDL-Exponenten Unbehagen. In den Vertrauensabstimmungen durchbrachen einige PDL-Abgeordnete den Boykott und sprachen Monti das Vertrauen aus, im Senat unter anderen Ex-Innenminister Beppe Pisanu, im Abgeordnetenhaus Ex-Aussenminister Franco Frattini. Die Partei dürfte vor einer existenziellen Zerreissprobe stehen. Dabei sind die Chancen einer Wiederwahl Berlusconis gleich null: In Umfragen erhält der PDL, der in den Wahlen 2008 mit 37 Prozent der Stimmen noch klarer Sieger war, heute noch 16 Prozent. Der links-moderate Partito Democratico (PD) kommt auf mehr als das Doppelte.

Berlusconis Kandidatur wird denselben Effekt haben wie die trotzige Vertrauensverweigerung von gestern: Sie destabilisiert die Regierung, verunsichert die Finanzmärkte und torpediert Montis Chancen auf eine zweite Amtszeit. Denn mit Berlusconi wird jede Zusammenarbeit des PDL mit der bürgerlichen Mitte von Pierferdinando Casinis UDC und der vor Kurzem gegründeten «Pro-Monti-Liste» von Ferrari-Chef Luca Cordero Montezemolo zum Vornherein verbaut: Beide haben klargemacht, ein Pakt mit einem von Berlusconi dominierten PDL sei «keine Option» . Damit stünde PD-Chef Pierluigi Bersani, dessen Partei in allen Umfragen klar führt, als nächster Ministerpräsident praktisch fest.

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